Bühnenwerke
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Titelseite Partiturautograph, 1948
Ein Trauerspiel des Sophokles in der deutschen Übersetzung von Friedrich Hölderlin
Textdichter/-vorlage: Sophokles
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: deutsch
Entstehungszeit: 1940–1949
Uraufführung (szenisch): 9. August 1949 Salzburg, Felsenreitschule (A) Salzburger Festspiele 1949 ·
Res Fischer, Antigonae; Maria Ilosvay, Ismene; Benno Kusche, Chorführer; Hermann Uhde, Kreon; Helmut Krebs, Ein Wächter; Lorenz Fehenberger, Haemon; Ernst Haefliger, Tiresias; Josef Greindl, Ein Bote; Hilde Zadek, Eurydice · Dirigent: Ferenc Fricsay
Wiener Philharmoniker · Chor der Wiener Staatsoper · Inszenierung: Oscar Fritz Schuh · Kostüme: Caspar Neher · Bühnenbild: Caspar Neher
Aufführungsdauer: 140′
Antigonae ist Teil der Werkgruppe Griechische Tragödien
Besetzung detailliert
Personen: Antigonae · dramatischer Sopran – Ismene · Alt – Kreon – Bariton – Ein Wächter · Tenor – Hämon · Tenor – Tiresias · hoher Tenor – Ein Bote · Bass – Eurydice · Sopran – Chorführer · Bariton – Chor der Thebanischen Alten · Tenöre und Bässe
Orchester (nach Möglichkeit verdeckt): 6 (alle auch Picc.) · 6 (4.-6. auch Engl. Hr.) · 0 · 0 – 0 · 6 · 0 · 0 – P. S. (3 Glsp. · Crot. · 2-3 Xyl. · 8 Trogxyl. [Tenor u. Bass] · 2 Marimba · 2 Gl. · 3 Trgl. · 3 Beckenpaare · 3 hg. Beck. · Steinspiel · Holztr. · Holzschlitztr. · Amboss · 2 gr. Tr. · 6 Tamb. · 6 Kast. · 10 Buckelgongs) (10-15 Spieler) – 4 Hfn. · 6 Klav. – 9 Kb.
Inhalt
Bei dem Angriff auf Theben kämpfte Eteokles auf Seiten König Kreons, des Herrschers der Stadt; Polynikes hingegen, Eteokloes‘ Zwillingsbruder, focht auf Seiten der Belagerer. Im Verlauf der Kämpfe töteten sie sich gegenseitig. Eteokles wurde von Kreon ein Staatsbegräbnis ausgerichtet; der Leichnam des anderen aber soll nun, unter Androhung der Todesstrafe, unbestattet vor Thebens Mauern den Geiern zum Fraß verbleiben.
Antigonae, Schwester der Zwillingsbrüder, betrachtet es als Pflicht, auch Polynikes ein würdiges Begräbnis zu verschaffen und bittet ihre Schwester Ismene, bei der Bestattung zu helfen. Ismene, ängstlich, versagt ihr die Hilfe. Und so beerdigt Antigonae den Bruder, Kreons Verbot zum Trotz, auf eigene Faust. Ein Wächter beobachtet sie dabei und meldet die Tat dem König.
Kreon lässt die junge Frau vorladen und stellt sie ungehalten zur Rede. Antigonae jedoch vermag keinen Fehler in ihrem Handeln zu sehen, verteidigt es vielmehr selbstbewusst. Wütend verurteilt Kreon sie zum Tode. Ismenes Versuch, einen Teil der Schuld auf sich zu nehmen, weist Antigonae stolz von sich.
Der Verlobte Antigonaes, Kreons Sohn Hämon, versucht das Todesurteil abzuwenden, aber Kreon bleibt unerbittlich. Selbst die Warnungen des Ältestenrats schlägt er in den Wind. Antigonae wird bei lebendigem Leibe eingemauert.
In dieser verhängnisvollen Situation erscheint der blinde Seher Tiresias und warnt den König vor möglichen Folgen seiner Starrköpfigkeit. Kreon wird unsicher, will die Entscheidung revidieren. Aber zu spät: Ein Bote bringt die Nachricht, Antigonae habe sich in ihrem Verlies erhängt und Hämon daraufhin Selbstmord begangen. Doch nicht genug des Grauens: Eurydice, Kreons Gattin und Hämons Mutter, kann den Tod ihres Sohnes nicht verwinden und gibt sich gleichfalls den Tod. Kreon, völlig gebrochen ob der tödlichen Folgen seines Fehlurteils, wünscht nur noch zu sterben.
Kommentar
Schon bei seiner ersten Begegnung mit Hölderlins Antigonae-Übersetzung gelangte Orff zur Überzeugung, dass für eine authentische Aufführung das reine Wort nicht ausreicht, sondern – ganz im Sinne der griechischen Tragödie – der Verknüpfung mit Musik und Gebärde bedarf. Orff entwickelte daher einen gänzlich neuen Deklamationsstil: eine musikalisch gesteigerte, affektive Sprechweise, die alle Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme durchmisst und bis hin zu ariosen Aufschwüngen reicht. Zwangsläufig verlangte diese neue sängerische Ausdrucksform auch ein neues Instrumentarium: Orff entwarf ein facettenreiches Schlagwerkorchester, das völlig neuartige Optionen zur Behandlung der Sprech- und Singstimme bot. Durch die Zurücknahme des Orchesters und die Verlagerung des Ausdrucks in die menschliche Stimme rückte Orff den Darsteller und damit sein Spiel entschieden ins Zentrum des Bühnengeschehens.
In seiner Partitur gab der Komponist jeder einzelnen Szene eine unverwechselbare, stark schlagwerkgeprägte Gestalt – stets auf der klanglichen Grundfarbe der Klaviere. »Die Musik folgt einem Grundgesetz der griechischen Tragödie, alles Hörbare sichtbar und alles Sichtbare hörbar zu machen«, beschrieb Orff seine Konzeption.
Mit Beendigung des Werks hatte Orff in seiner kompositorischen Entwicklung einen entscheidenden Schritt gemacht. Zwar war das Ziel, Sprache, Musik, Bewegung zu vereinigen, auch in den vorhergehenden Werken bereits spürbar, doch erst durch die Sprache Hölderlins kam Orffs lebenslanges Bemühen nun zur Reife.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar:
Johannes Schindlbeck: »Antigonae«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 89-91.Bildnachweis:
[Titelseite] Carl Orff: Antigonae – Ein Trauerspiel des Sophokles in der deutschen Übersetzung von Friedrich Hölderlin, Partiturautograph, 1948, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.67 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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[Titelseite] Carl Orff: Astutuli, Partitur, Faksimile-Ausgabe, Mainz 1985.
Eine bairische Komödie
Astutuli zählt zur Werkgruppe Bairisches Welttheater
Besetzung: Schauspieler, Orchester
Sprache: deutsch
Entstehungszeit: 1946–1948, rev. Neufassung 1953
Uraufführung: 20. Oktober 1953 München, Münchner Kammerspiele (D) · Dirigent: Karl List · Inszenierung: Hans Schweikart · Kostüme: Liselotte Erler · Bühnenbild: Helmut Jürgens
Aufführungsdauer: 50′
Besetzung detailliert
Personen (Schauspieler): Zween Landsterzer – Zween Burger – Jörg Zagelstecher, der Burgermeister – Seine Tochter Fundula – Hortula und Vellicula, Gespielinnen – Drei Sponsierer – Die drei vom hochweisen Rat – Wunibald Hirnstößl, der Wachter – Der fremde Gagler – Die Fahrende – Burger einer kleinen alten Stadt – Manner und Weiberleut – Junge und Alte
Orchester: Trp. · Tb. – 3 P. S. (Xyl. · Fingerzimb. · Beckenpaar · hg. Beck. · Handtr. · 3 Rührtr. · 2 kl. Tr. · Tamb. · gr. Tr. · gr. Tr. m. Beck. · 3 Holzbl. · Steinspiel · 4-5 Gläser · Rasseln · Kast. · Ratsche · Windmasch.) (8-9 Spieler)
Auf der Bühne: hg. Beck.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Die Superschlauen der Welt gilt’s über den Tisch zu ziehen! Wie? Man lädt marktschreierisch zu einem Spektakel! Und vom Bürgermeister bis zum Pöbel des Städtchens kommen sie auch schon gerannt. Trickreich lügen der Gagler und seine Spießgesellen ihrem Publikum ein Wolkenkuckucksheim vor: Zunächst zaubern sie Sankt Onuphri, den zotteligen Patron der Weber, auf ihre Bretterbühne. Ihm folgt die Erscheinung des sagenhaft(en) frechen Goggolori. Da keiner der überschlauen Zuschauer eingestehen will, die beiden Spukgestalten überhaupt nicht zu sehen, haben die Schwindler leichtes Spiel; denn wer sich solches vorschwindeln lässt, den kann man um mehr als seine Wahrnehmungsfähigkeit erleichtern: Mit Hokuspokus hext der Gagler ein Gewand, so fein gewebt, dass es mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen ist. Alle bestaunen die Pracht des Gewirks, das zu allem Luxus auch noch die Fähigkeit verspricht, einen Blick in die Zukunft zu gewähren. Und so zögert der Bürgermeister nicht, sich Hemd und Hose vom Leib zu reißen und in das Prachtgewand zu springen. Freilich, alle anderen wollen da nicht hintanstehen und tun es ihm sofort nach; schließlich will sich ein jeder einmal das magische Gewand überwerfen. Allerdings dämmert‘s keinem, dass bald alle nur noch in Unterhemd und Unterhose dastehen, während die Helfershelfer des Gaglers die Kleider der Bürger samt Geld und Schmuck einsacken. Zunächst denken sich die Angeschmierten daher auch nichts, als es plötzlich zappenduster wird, weil die Spitzbuben die Laternen löschen. Aber im Dunkeln kommt den Bürgern plötzlich die Erleuchtung: Sie wurden um ihr Hab und Gut geprellt! Wütend brechen sie auf, die Gauner zu verprügeln. Die freilich sind längst über alle Berge. Doch halt, lachen da nicht ein paar Zuschauer im Publikum? Aha, die stecken also mit den Trickbetrügern unter einer Decke; warum würden sie sonst so boshaft lachen?! Unter wüsten Beschimpfungen fordern alle Geprellten die Kleidungsstücke des Publikums. Beinahe kommt es zu Handgreiflichkeiten. Nur das erneute Auftreten des verkleideten Gaglers verhindert Schlimmstes. Was er diesmal im Schilde führt? Hosenknöpfe zu Goldmünzen kann er verwandeln …
Kommentar
Orffs »bairische Komödie« von den über den Tisch gezogenen Schlaubergern verwendet ein Thema, das sich durch die ganze Weltliteratur zieht: Man findet es bei Plautus, Hans Sachs, Miguel de Cervantes und nicht zuletzt auch bei Hans Christian Andersen.
Der kuriose Stücktitel leitet sich vom lateinischen »astutus« (schlau) ab, wobei die Diminutivform astutulus mit »ziemlich schlau« übersetzt werden kann. Astutuli bedeutet also so viel wie »Die Schlaumeier«. Und mit genau dieser lateinischen Bezeichnung setzt das Stück auch ein: Der Gagler (Gaukler) lockt sein Publikum mit dem Ruf Astutuli! hinter dem Ofen hervor.
Astutuli ist ein Stück für Schauspieler. Dabei findet der Verzicht auf Gesang seine Entsprechung im fast gänzlichen Verzicht auf Melodie. Im Gegenzug tritt das rhythmisierte Sprechen des deftigen Textes umso mehr in den Vordergrund. Der Verzicht auf melodische Gestaltung spiegelt sich letztlich auch im Orchester: Bis auf die Trompete ist es um jegliches Melodieinstrument beschnitten, bringt aber stattdessen ein Feuerwerk an Schlaginstrumenten, die das gesprochene Wort auf vielfältige Weise intensivieren.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Astutuli«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 74-77.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Astutuli, Partitur, Faksimile-Ausgabe, Mainz 1985.
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Ein bairisches Stück
Libretto vom Komponisten
Besetzung: Schauspieler, Solisten (ST), Chor, Orchester
Sprache: deutsch
Kompositionsjahr: 1946
Uraufführung: 15. Juni 1947 Stuttgart, Württembergisches Staatstheater (D) · Dirigent: Bertil Wetzelsberger · Inszenierung: Reinhard Lehmann · Kostüme: Wilhelm Reinking; Anneliese Sartorius · Bühnenbild: Wilhelm Reinking
Aufführungsdauer: 100′
Die Bernauerin zählt zur Werkgruppe Bairisches Welttheater
Besetzung detailliert
Personen (Schauspieler): Der Ansager – Albrecht, Herzog in Baiern und Graf zu Voheburg – Drei junge Adelige, Albrechts Freunde – Kaspar Bernauer, Bader zu Augsburg – Agnes Bernauer, Badmagd und Riberin, später Duchessa – Badgäste beim alten Bernauer – Ein welscher Spielmann – Bürger von Munichen – Der Kanzler vom Herzog Ernst – Hauptmann und Reisige – Richter und Häscher – Ein Mönch – Eine junge Dienerin – Volk – Kriegsvolk – Hexen – im Orchester, später hinter der Bühne: Solo-Tenor – hinter der Bühne, später auf der Bühne: gr. gem. Chor
Aus der Höhe: Solo-Sopran
Orchester: 3 (3. auch Picc.) · 3 (2. u. 3. auch Engl. Hr.) · 3 (3. auch Es-Klar.) · Bassklar. · 2 · Kfg. – 4 · 3 · 3 · 1 – P. S. (2 Glsp. · Crot. · Xyl. · Bassxyl. · Metallophon · Röhrengl. · Trgl. · 3 Beck. · versch. Tamt. · 3 kl. Tr. · Holzschlitztr. · gr. Tr. · Ratsche · Kast. · 8-10 Rasseln) – Hfe. · Cel. · 2 Klav. – Str. – hinter der Bühne: S. (2 Gl. · gr. Tamt. · mind. 6 kl. Tr. · mind. 3 Rührtr. · gr. Tr.) – 2 Klav. · Org.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
In einer Augsburger Badstube lernt um 1428 der bayrische Herzogssohn Albrecht die Badmagd Agnes Bernauer kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und ohne Zögern heiraten die beiden. Albrechts Vater Herzog Ernst jedoch widersetzt sich dieser Ehe aus Standesgründen vehement, und auch im einfachen Volk wird die Verbindung Albrechts nicht nur wohlwollend aufgenommen: Die Meinungen der Stammtischbrüder in einer Münchner Schänke reichen von Zustimmung über Misstrauen bis zu wütendem Widerspruch. Albrecht und Agnes ziehen sich vor alldem auf das Straubinger Herzogsschloss zurück.
Die Heirat der beiden zeitigt jedoch zunehmend auch öffentliche Unruhe: Im Volk munkelt man, dass Albrechts Zwist mit dem Vater politische Folgen haben könnte. Auch Agnes selbst sieht die Zukunft gefährdet; und als Albrecht für ein paar Tage das Schloss verlassen muss, bittet sie ihn inständig, nicht lange fortzubleiben.
Agnes‘ dunkle Vorahnung bestätigt sich: In der Münchner Kanzlei von Albrechts Vater sinniert der Kanzler mit gemischten Gefühlen über das Todesurteil, das Herzog Ernst gegen Agnes verfügt hat. Und andernorts in München versucht ein geifernder Mönch, die Gläubigen gegen die Bernauerin aufzuhetzen; er wird aber von Anhängern Albrechts zum Schweigen gebracht.
Doch umsonst: Kaum hat Albrecht das gemeinsame Schloss verlassen, bricht das Unheil über Agnes herein: Zu mitternächtlicher Stunde dringen Herzog Ernsts Häscher in ihr Schlafgemach und reißen sie aus dem Bett, um sie vor den gedungenen Richter zu zerren. Ihr wird kurzer Prozess gemacht; und als man sie zu Straubing in der Donau ertränkt, begeifern sensationslüsterne Hexen die Hinrichtung.
Albrecht ist dermaßen erbittert über den Mord, dass er beschließt, München dem Erdboden gleichzumachen; schon steht er vor den Toren der Stadt. In letzter Sekunde jedoch überbringen ihm Boten die Nachricht, dass sein Vater verstorben und er selbst jetzt Herzog von Bayern geworden sei. Erschüttert fügt der junge Mann sich in sein Schicksal; ja, die tote Gattin selbst scheint ihn zu bestärken: Gleich einer himmlischen Vision erscheint Agnes‘ Gestalt in den Wolken.
Kommentar
Als Orffs Tochter Godela 1942 ein Engagement ans Bayerische Staatschauspiel bekam, wurde ihr die Titelrolle in Hebbels Drama Agnes Bernauer anvertraut. Da sie klagte, zu der sentimental gezeichneten Figur nur schwer Zugang zu finden, las Orff Hebbels Werk selbst und beschloss, eine eigene Version zu schreiben. Der Komponist wollte den Stoff in Kombination mit der urbayerischen Sprache, die er in Johann Andreas Schmellers bekanntem Bayerischen Wörterbuch fand, zu einem ganz und gar bayerischen Stück formen – wobei er mit der Neubildung von Worten sogar über Schmellers Buch hinausging.
Einen weiteren Einfluss auf das für Schauspieler konzipierte Werk nahm eine Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, das Liederbuch der Clara Hätzerlin (Augsburg 1471). Mit seinen über 2000 Gedichten gab es Orff wertvolle Anregungen und wirkte tiefgreifend auf die Badstuben-, die Hexen- und die Schlafkammerszene ein.
Stark strukturbildend für das balladenhafte Werk sind die geradezu antikischen Chorszenen: So rekurrieren die Hexen auf die antike Teichoskopie. Die Bernauerin steht somit am Wendepunkt in Orffs Schaffen: Sie deutet bereits auf die Griechendramen des Komponisten hin.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Die Bernauerin«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 69-73.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Die Bernauerin – Ein bairisches Stück, Partiturautograph, 1946, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.55 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Cantiones profanae cantoribus et choris cantandae comitantibus instrumentis atque imaginibus magicis
Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und magischen Bildern
Textdichter/-vorlage: Die Texte wurden zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert von zumeist anonymen Dichtern verfasst und entstammen einem als Carmina Burana bezeichneten mittelalterlichen Codex aus den Beständen des Klosters Benediktbeuern.
Besetzung: Sopran, Tenor, Bariton, gemischter Chor, Knabenchor, Orchester
Sprache: lateinisch, mittelhochdeutsch, altfranzösisch
Entstehungszeit: 1934–1936
Uraufführung: 8. Juni 1937 Frankfurt am Main (D) · Dirigent: Bertil Wetzelsberger · Inszenierung: Oskar Wälterlin · Bühnenbild: Ludwig Sievert
Aufführungsdauer: 65′
Die Carmina Burana sind Teil des Tryptichons Trionfi
Werkteile / Gliederung
Fortuna Imperatrix Mundi: 1. O Fortuna – 2. Fortune plango vulnera
I Primo Vere: 3. Veris leta facies – 4. Omnia sol temperat – 5. Ecce gratum
Uf dem Anger: 6. Tanz – 7. Floret silva – 8. Chramer, gip die varwe mir – 9. Reie: Swaz hie gat umbe; Chume, chum geselle min; Swaz hie gat umbe – 10. Were diu werlt alle min
II In Taberna: 11. Estuans interius – 12. Olim lacus colueram – 13. Ego sum abbas – 14. In taberna – quando sumus
III Cour d’Amours: 15. Amor volat undique – 16. Dies, nox et omnia – 17. Stetit puella – 18. Circa mea pectora – 19. Si puer cum puellula – 20. Veni, veni, venias – 21. In trutina – 22. Tempus est iocundum – 23. Dulcissime
Blanziflor et Helena: 24. Ave formosissima
Fortuna Imperatrix Mundi: 25. O Fortuna
Besetzung detailliert
Personen: Sopran · Tenor · Bariton · gemischter Chor (SATB) · Knabenchor
Orchester: 3 (2. u. 3. auch Picc.) · 3 (3. auch Engl. Hr.) · 3 (1. auch Es-Klar., 2. u. 3. auch Bassklar.) · 2 · Kfg. – 4 · 3 · 3 · 1 – P. · S. (3 Glsp. · 2 ant. Zimb. · Xyl. · 3 Gl. · Röhrengl. · Trgl. · 4 Beck. [Beckenpaar u. hg. Beck.] · Tamt. · Tamb. · 2 kl. Tr. · gr. Tr. · Ratsche · Kast. · Schellen) (5 Spieler) – 2 Klav. · Cel. – Str.
Aufführungsmaterial Schott Music
Weitere Fassungen
Carmina Burana
Fassung für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor, Knabenchor und Blasorchester von Juan Vicente Mas QuilesDiese Fassung ist nicht für Gesamtaufführungen von Trionfi bestimmt.
Personen: siehe Besetzung detailliert
Orchester: 3 Fl. (3. auch Picc.) · 3 Ob. (3. auch Engl. Hr.) · 2 Fg. · Kfg. – Es-Klar. · 3 Klar. in B · A-Klar. · B-Klar. · Kb.-Klar. ad lib. · 2 Altsax. · Tenorsax. · Baritonsax. – 3 Trp. · 4 Hr. · 3 Pos. · 2 Flhr. · Tenorhr. · Bar. · 2 Tb. – Kb. – Cel. · 2 Klav. – P. · S. (3 Glsp. · 2 ant. Zimb. · Xyl. · 3 Gl. · Röhrengl. · Trgl. · 4 Beck. [Beckenpaar u. hg. Beck.] · Tamt. · Tamb. · 2 kl. Tr. · gr. Tr. · Ratsche · Kast. · Schellen) (5 Spieler)
Aufführungsmaterial Schott Music
Carmina Burana
Fassung für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor, Knabenchor, zwei Klaviere und Schlagwerk von Wilhelm KillmayerDiese Fassung ist nur für Schul- und Laienaufführungen und nicht für Gesamtaufführungen von Trionfi bestimmt.
Personen: siehe Besetzung detailliert
Orchester: P. · S. (3 Glsp. · 2 ant. Zimb. · Xyl. · 3 Gl. · Röhrengl. · Trgl. · 4 Beck. [Beckenpaar u. hg. Beck.] · Tamt. · Tamb. · 2 kl. Tr. · gr. Tr. · Ratsche · Kast. · Schellen) (5 Spieler) – 2 Klav.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Mit einem leidenschaftlichen Klageschrei heben die Carmina Burana an: Glücksgöttin Fortuna gilt er. Wie kann sie die Welt nur so völlig blind regieren! Wahllos schlägt die launenhafte Göttin Wunden, wahllos verteilt sie ihre Gunst; wer heute noch obenauf ist, kann sich morgen schon auf dem absteigenden Rad befinden! Desto mehr gilt es die Freuden des Lebens in vollen Zügen zu genießen – und zwar ohne zu zögern!
Und so stürzen die Sonnenhungrigen zu Spiel und Tanz hinaus in die frühlingshafte Natur: Sie werfen sich in Schale, tanzen, balzen und tauchen ein in den Rausch toller Jugend.
Die Glücksspieler wiederum zieht es in die Kneipe: Dort reißen sie große Sprüche und platte Witze, hauen sich den Wanst mit Leckerbissen und Alkohol voll und lassen reihum Würfel und Spielkarten wirbeln.
Die gehobene Gesellschaft hingegen treibt es eleganter: Sie wandelt vornehm auf eleganten Liebespfaden, schäkert und seufzt, kokettiert und zickt, schreckt und lockt. Und wenn die Paare sich glücklich gefunden haben erwarten alle die Erscheinung der Liebesgöttin. Stattdessen aber erscheint Fortuna und der Klageschrei des Anfangs wiederholt sich.
Kommentar
Orffs szenische Kantate basiert auf mittellateinischen, mittelhochdeutschen, altfranzösischen und provenzalischen Lied- und Dramentexten einer Anthologie, die 1803 in der Bibliothek des Klosters Benediktbeuern gefunden wurde. Sämtliche darin enthaltenen Texte wurden zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert von zumeist anonymen Dichtern verfasst. Die heute etablierte, eigentlich jedoch nicht ganz zutreffende Bezeichnung Carmina Burana (lateinisch für Beurer Lieder oder Lieder aus Benediktbeuern) – die Handschriftensammlung wurde zwar im Kloster Benediktbeuern aufbewahrt, die darin enthaltenen Lieder entstanden jedoch höchstwahrscheinlich in Österreich oder Südtirol – geht auf Johann Andreas Schmeller zurück, der 1847 unter diesem Titel erstmals eine erste Gesamtausgabe des Codex veröffentlichte.
Am Gründonnerstag des Jahres 1934 warf Orff erstmals einen Blick in eben jenes Buch, das er kurz zuvor in einem Würzburger Antiquariatskatalog entdeckt und sogleich bestellt hatte. Der vollständige Titel lautet: Carmina Burana. Lateinische und deutsche Lieder und Gedichte einer Handschrift des XIII. Jahrhunderts aus Benedictbeuern auf der K. Bibliothek zu München. Beim Aufschlagen des Buchs fiel Orffs Blick auf die Abbildung der Glücksgöttin Fortuna und die Zeilen »O Fortuna / velut luna / statu variabilis«. Diese Verse schlugen den Komponisten derart in Bann, dass er sie noch am gleichen Tag in den Chorsatz umformte, der zur Eröffnungsnummer der Carmina Burana werden sollte: »O Fortuna«. Aber nicht nur diese wenigen Verse wurden zur Initialzündung für Orff. Auch andere regten unmittelbar seine Kreativität an; rauschhaft entwarf er ein erstes Werkkonzept mit Sing- und Tanznummern, und drei Tage später waren bereits einige Chöre zu Papier gebracht.
Der Bamberger Archivrat Michel Hofmann half dem Komponisten, die Überfülle an Textmaterial zu sichten und geeignete Texte auszuwählen. Bei seiner Komposition ließ sich Orff nicht von den Neumen leiten, die manchen Gedichten beigefügt waren, sondern ausschließlich vom mitreißenden Rhythmus und der Bildkraft der Gedichte, vom vokalreichen Klang und der Pointiertheit der Sprache.
Waren die Konzeption und die Komposition der szenischen Kantate auch rasch abgeschlossen, so dauerte es doch bis August 1936, ehe Orff den Schlussstrich unter die Partiturreinschrift zog. Und bis das Werk schließlich die Reise um die Welt antreten konnte, gingen nochmals rund zehn Jahre ins Land. Erst nach 1945 begannen die Carmina Burana ihren internationalen Siegeszug. Orff allerdings war sich schon 1937 der Bedeutung dieser szenischen Kantate für seine Entwicklung klar, denn bereits am Tag nach der Uraufführung schrieb er seinem Verleger: »Mit Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke.«
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Carmina Burana«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 37 f.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Carmina Burana – Cantiones profanae cantoribus et choris cantandae comitantibus instrumentis atque imaginibus magicis, Partiturautograph, 1936, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.1 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Ludi scaenici
»Rumoresque senum severiorum omnes unius aestimemus assis«
Besetzung: Solisten, Tänzer, Chor, Orchester
Sprache: lateinisch
Entstehungszeit: 1941–1943
Uraufführung: 6. November 1943 Leipzig, Opernhaus (D) · Dirigent: Paul Schmitz · Inszenierung: Tatjana Gsovsky und Hanns Niedecken-Gebhard · Bühnenbild: Max Elten
Aufführungsdauer: 45′
Die Catulli Carmina sind Teil des Tryptichons Trionfi
Werkteile / Gliederung
Praelusio / Actus I / Actus II / Actus III / Exodium
Besetzung detailliert
Personen: Catullus / Catull · Lesbia, amica / Lesbia, seine Freundin · Caelius, amicus / Caelus, sein Freund / · Ipsitilla, meretrix / Ipsitilla, eine Buhlerin · Ameana meretrix / Ammiana, eine Buhlerin · Amatores et meretrices / Liebhaber und Buhlerinnen – Tänzer · Chor: Juvenes · Juvenculae · Senes / Junge Männer · Junge Mädchen · Greise
Orchester: 4 Klav. – 4 P. S. (ant. Zimb. · Trgl. · 3 Beck. [Beckenpaar u. hg. Beck.] · Tamt. · 3 Schellentr. · gr. Tr. · Kast. [mögl. v. Tänzerin zu spielen] · Mar. · Holz · 2 Glsp. · Xyl. · Ten.-Xyl. · Metallophon · Steinspiel ad lib.) (10-12 Spieler) – Im Orchester: Sopran- und Tenor-Solo
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Auf der Vorbühne rufen sich Jünglinge und Mädchen immer heißere Liebesschwüre zu, meckernd kommentiert von uralten Greisen, die vehement mit der schnöden Vergänglichkeit aller Liebe dazwischenpoltern. Als Beispiel führen die Grauköpfe das Spiel von der Liebe des römischen Dichters Catull an, welches sogleich über die Hauptbühne gehen wird: Mit ihm wollen sie den heißblütig Liebenden einen kräftigen Dämpfer verpassen.
Das Spiel beginnt: Catull und seine Geliebte Lesbia verbringen ein zärtliches Schäferstündchen. Liebestrunken schläft der Dichter in Lesbias Schoß ein. Sie jedoch schleicht fort, um sich in der Schänke schamlos mit anderen Männern zu vergnügen. Catull entdeckt sie dabei und ist fassungslos – zur Freude der Greise, welche ihre Theorie von der Vanitas aller Treue bestätigt sehen.
Nicht lange danach, zu nächtlicher Stunde: Catull lagert verzweifelt vor Lesbias Haus. Er träumt, dass ihn die Geliebte sogar mit seinem Freund Caelus betrügt. Entsetzt fährt der Poet aus dem Schlaf hoch und ahnt düster, dass der Traum mehr war als nur ein Nachtgespinst. Begeistert spenden die Greise Applaus.
In seiner Verzweiflung stürzt sich Catull in ein Techtelmechtel mit einer Hure; Lesbia vergessen kann er trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Überall sucht er nach ihr. Als er sie jedoch tatsächlich in den Armen seines Freundes findet, zerbricht in seinem Herzen die Liebe endgültig. Selbst Lesbias Verzweiflung über den Verlust kann den Poeten nicht mehr umstimmen.
Und der Erfolg der Spiels bei den Liebenden? Verlorene Liebesmüh‘! Längst haben die Liebenden dem Geschehen den Rücken gekehrt und rufen sich bereits erneut ihre glühenden Liebesschwüre zu.
Kommentar
Im Sommer 1930 machte Orff Urlaub am Lago di Garda und besuchte in diesem Zusammenhang auch das Städtchen Sirmione mit seiner lokalen Attraktion, den Grotten des römischen Dichters Catull (eigentlich eine altrömische Badeanlage). Auf einer Souvenirkarte, die sich Orff kaufte, stand unter einem Grottenbild das berühmteste Distichon des Römers: »Odi et amo. Quare id faciam, fortasse requiris. / nescio, sed fieri sentio et excrucior« (Ich hasse und liebe. Weshalb ich das tue, fragst du vielleicht? / Ich weiß es nicht. Doch ich spüre, dass es geschieht, und ich werde gefoltert). Diese beiden Verse hypnotisierten Orff regelrecht, und schon am nächsten Tag, noch auf der Heimfahrt aus dem Urlaub, skizzierte er einen Chorsatz zu diesen Versen. Zuhause angekommen, besorgte sich Orff sogleich einen Band mit Gedichten Catulls und vertonte weitere neun Gedichte.
Als nun Anfang der vierziger Jahre des Öfteren an Orff der Wunsch herangetragen wurde, ein Ergänzungswerk für die Carmina Burana zu schreiben, nahm sich der Komponisten nochmals seine zehn Catull-Chöre vor. Diese Chöre schienen ihm eine perfekte Basis für eine Madrigalkomödie zu sein. Und als er deshalb nochmals seinen Catull-Gedichtband zu Rate zog, drängte sich ihm aus den dialoghaften Gedichten des Römers ein Libretto förmlich auf. Orff ergänzte die vorhandenen Chöre, dramatisierte sie, fügte die Solostimmen von Catull und Lesbia ein und formte die Rahmenhandlung hinzu. Der Renaissance-Form der Madrigalkomödie entsprechend, sollten die Catulli Carmina von Tänzern dargestellt und von einem A-cappella-Chor im Orchester gesungen werden.
Musikalisch interessant ist bei diesem Werk Orffs erstmalige Verwendung eines reinen Schlagwerkorchesters, dem auch die vier Klaviere mit ihren mannigfaltigen percussiven Spiel- und Anschlagstechniken zuzurechnen sind.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Catulli Carmina«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 43-47.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Catulli Carmina – Ludi scaenici – »Rumoresque senum severiorum omnes unius aestimemus assis«, Partiturautograph, 1943, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.57 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Ein Osterspiel
Libretto vom Komponisten
Besetzung: Schauspieler, Sänger, Orchester
Sprache: deutsch, altgriechisch, lateinisch
Entstehungsjahr: 1955
Uraufführung (Erstsendung Fernsehproduktion): 31. März 1956 München, Fernsehstudio des Bayerischen Rundfunks (D) · Dirigent: Karl List · Inszenierung: Gustav Rudolf Sellner · Bühnenbild: Franz Mertz
Uraufführung (Bühnenuraufführung): 21. April 1957 Stuttgart, Württembergische Staatstheater (D) · Dirigent: Heinz Mende · Inszenierung: Wieland Wagner · Bühnenbild: Wieland Wagner
Aufführungsdauer: 40′
Comoedia de Christi Resurrectione ist Teil des Diptychons und zählt zur Werkgruppe Bairisches Welttheater
Besetzung detailliert
Personen (Schauspieler): Der Teufel – Die erste Wacht: sechs Soldaten – Die zweite Wacht: sechs andere Soldaten
Personen (Sänger): Vox mundana · Sopran – Vox luctuosa · Bass-Solo – Chorus mulierum lugentium · Altstimmen – Chorus angelorum (im Prooemium) · Knabenstimmen – Chorus angelorum (im Schluss-Hymnus »Christ ist erstanden«) · Knabenstimmen und gemischter Chor – Anachoretae (im Schluss-Hymnus »Christ ist erstanden«) · Kleiner Männerchor
Orchester: P. S. (2 Glsp. · Crot. · Xyl. · Bassxyl. · Marimba · Röhrengl. · Trgl. · Beck. · Tamt. · gr. Tr. · Steinspiel · Guiro · 2 Doppelratschen · Schlagkiste) – 2 Hfn. · 3 Klav. · Org. – 4 Kb.
Die beiden Stücke Ludus de nato Infante mirificus und Comoedia de Christi Resurrectione können unter der Bezeichnung Diptychon zusammen als abendfüllendes Werk aufgeführt werden. Die Reihenfolge Ludus – Comoedia ist jedoch bindend.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Am Grabe Christi beklagen Frauen den Toten. Eine geheimnisvolle irdische Stimme spricht ihnen Hoffnung zu, ein Engelschor gemahnt an die Grabesruhe.
Sechs Soldaten halten nachts bei der Begräbnisstätte Wacht, ausgehorcht vom Teufel, der auf der Grabplatte lauert. Die Männer schwatzen übers Wetter, schwadronieren über Gott und die Welt und sprechen nicht zuletzt über den Verstorbenen: Die hiesige Ordnung hat er ganz schön durcheinandergewirbelt! Ging da nicht sogar die Rede, er werde nach drei Tagen von den Toten auferstehen? Und überhaupt: Wer ist eigentlich dieser spendable Geschwänzte, der auf dem Grab hockt und anscheinend schläft? Ein Trauernder? Und warum werden sie auf einmal so müde?
Kaum, dass die Wachposten eingenickt sind, versiegelt der Teufel mithilfe eines Zaubersteins das Grab: Christus darf unter keinen Umständen durch seine Auferstehung den Tod besiegen! Rasch zieht sich der »Gottseibeiuns« zurück, als die sechsköpfige Wachablösung antritt. Die Soldaten beäugen den Bocksbeinigen ebenfalls recht misstrauisch, kuschen aber, als er auch ihnen Geld zuschanzt. Das Gespräch kommt natürlich sofort auf den Toten. Ein Wundertäter sei er gewesen! Wohl eher ein Aufrührer! Egal – die alte Wache zieht ab, nicht ohne die neue augenzwinkernd anzuweisen, den Toten ja nicht entwischen zu lassen.
Die neue Wache landet rasch bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: dem Kartenspiel. Und da freilich juckts den »Sparifankerl« in den Fingern! Flugs mischt er mit, verlässt dafür sogar die heikle Grabplatte; aber die Soldaten hauen ihn übers Ohr. Soweit nehmen sie ihn aus, dass er zuletzt sogar um seinen blinkenden Zauberstein spielen muss. Den lässt er sich aber nicht abluchsen: In dieser Spielrunde gewinnt er die Seelen der Wächter, und in einem begeisterten Aufschrei plärrt er sein »Gewunnen!!«
Aber Pech gehabt! Vor lauter Spielfieber hat er seine Grabwacht so außer Acht gelassen, dass ihn die von Engeln bejubelte Auferstehung Christi überrumpelt. Dermaßen wütend ist der Teufel darüber, dass er sich sogar den Schwanz abhackt.
Kommentar
Nach dem Erfolg der Weihnachtsgeschichte wurde an Orff der Wunsch nach einem Osterspiel herangetragen. Zwar vom Fernsehen in Auftrag gegeben, entwarf der Komponist das Werk gleichwohl für eine Theaterrealisierung. Mithin verwundert es nicht, dass diese Comoedia bereits ein Jahr nach der Fernsehpremiere auf die Bühne kam. Hatte aber der Film die Reduktion zum stilbildenden Prinzip erhoben, arbeitete Wieland Wagners Bühneninszenierung ebenso erfolgreich mit den Mitteln sinnlicher Opulenz: Das Szenenbild stellte ein bayrisch-barockes Heiliges Grab dar, in seiner Gestaltung Orffs Welttheatergedanken aufgreifend.
Im Sinne eines Welttheaters vereint das Werk auch verschiedene Sprachen, von Orff unterschiedlichen Figurengruppen zugeordnet: den Wachtsoldaten Bayerisch, dem Teufel Bayerisch und Latein, den Engelschören Latein sowie den Klageweibern Latein und Griechisch.
Zusätzlich zum Element des Grablegungs- und Auferstehungsritus verarbeitet Orff in seinem Werk Versatzstücke mittelalterlicher Mysterienspiele: die einleitenden Silentium-Rufe etwa lassen eine Zeit anklingen, als noch kein Öffnen eines Vorhangs die Aufmerksamkeit auf das Bühnengeschehen lenkte. Und nicht zuletzt greift auch die Verwendung des Teufels eine mittelalterliche Tradition auf; diese differenziert Orff allerdings weitreichend: Sein »Gottseibeiuns« zeigt individuellere, dämonischere Züge.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Comoedia de Christi Resurrectione«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 85-87.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Comoedia de Christi Resurrectione – Ein Osterspiel, Partiturautograph, 1955, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.7 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Das Spiel vom Ende der Zeiten
Vigilia
Texte aus den Sibyllinischen Büchern und den Orphischen Hymnen
Übersetzung aus dem Griechischen von Wolfgang Schadewaldt
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: altgriechisch, lateinisch, deutsch
Entstehungszeit: 1969–1979, rev. 1981
Uraufführung (szenisch): 20. August 1973 Salzburg, Großes Festspielhaus (A) Salzburger Festspiele 1973 · Dirigent: Herbert von Karajan · Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester · Kölner Rundfunk-Chor; RIAS Kammerchor; Tölzer Knabenchor · Choreinstudierung: Gerhard Schmidt-Gaden, Uwe Gronostay, Herbert Schernus · Inszenierung: August Everding · Kostüme: Andrzej Majewski · Bühnenbild: Günther Schneider-Siemssen · Choreographie: John Neumeier
Konzertante Uraufführung der Neufassung (1979): 5. Oktober 1980 München (D) · Dirigent: Rafael Kubelik · Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Bayerisches Staatsorchester · Chor des Bayerischen Rundfunks, Chor des Süddeutschen Rundfunks · Choreinstudierung: Heinz Mende
Uraufführung endgültige Fassung (revidierte »Ulmer Fassung« 1981): 15. Mai 1994 Ulm, Theater (D) · Dirigent: Alicja Mounk · Philharmonisches Orchester Ulm · Inszenierung: Michael Simon · Kostüme: Anna Eiermann · Bühnenbild: Anna Eiermann
Aufführungsdauer: 65′
Besetzung detailliert
Personen: I. Die Sibyllen: Neun Sibyllen · 3 dramatische Soprane, 4 Mezzosoprane, 1 Alt, 1 tiefer Alt – II. Die Anachoreten: Neun Anachoreten · 1 Tenor, 5 Baritone, 2 Bässe, 1 tiefer Bass – III. »Dies illa«: Die letzten Menschen (drei große gemischte Chöre, kleiner Frauenchor im Orchester) – Der Chorführer · Sprecher – Lucifer · Sprecher – Alt solo, Tenor solo, Knabenstimmen
Orchester: 6 (alle auch Picc.) · 0 · 6 Es-Klar. (1.-3. auch Klar.) · 0 · Kfg. – 6 · 8 · 6 · 1 – P. (auch Holzp.) S. (2 Glsp. · 5 Crot. · 3 Xyl. · 2 Marimba · Metallophon · Gong · Beckenpaar · hg. Beck. · 5 Tamt. · 6 Tamb. · 3 Rührtr. · 3 Tomt. · 6 Cong. · 1 tiefe Cong. · 3 kl. Tr. · 2 gr. Tr. · 3 Darabukka · Dobaci · 5 Bronzegl. · Guiro · Peitsche · Mar. · 6 Kast. · Hyoshigi · Angklung · 3 Holzgl. · 5 Holzbl. · 2 Ratschen · 3 Kirchenratschen · 11 Gläser [od. Glashfe.] · 2 kl. Gl. · Steinspiel) – 3 Hfn. · Cel. · 3 Klav. · Org. · E-Org. – 8 Kb.
Tonband (von den Veranstaltern selbst zu erstellen): Picc. (ad lib.) – 2 Trp. – P. S. (Crot. · Marimba · Gl. · Windmasch.) – 3 Klav. – 3 Kb. – Knabenchor
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Das Werk besteht aus drei Teilen bzw. Bildern. Im 1. Bild verkünden die Sibyllen – heidnisch-antike Prophetinnen – das schreckensvolle Ende der Welt. Die gottlosen Menschen, von Unverstand und Besitzgier getrieben, werden im ewigen Feuer büßen müssen und auf immer verdammt sein. Im 2. Bild setzen die Anachoreten – frühchristliche Einsiedler – diesen Prophezeiungen ein schroffes »Nein« entgegen und nennen sie Trug und Blendwerk. In diesem Teil des Werks fallen die zwei bestimmenden Kernsätze: »Nihil contra deum nisi deus ipse« (»Nichts ist gegen Gott außer Gott selbst«) sowie zuvor der Satz des Kirchenlehrers Origenes: »Omnium rerum finis erit vitiorum abolitio« (»Das Ende aller Dinge wird aller Schuld Vergessung sein«). Die Anachoreten erkennen, dass das Böse zum Weltenplan des Schöpfers gehört und an das zeitlich begrenzte Sein der Menschen gebunden ist. Beim Schöpfungsakt hat die Gottheit auch das Böse aus sich entlassen, hat sich selbst entzweit. Darin aber wohnt die Hoffnung auf eine kommende Wiedervereinigung am Zeitenende. Die Anachoreten bitten um »Hellsicht« im Traum. Im 3. Bild, Dies illa betitelt, tritt das Ende von Welt und Kosmos in Gestalt einer vom »Traumgott« geschickten Vision ein. In dem Moment, in dem die »letzten Menschen« in namenloser Angst bereits die Flammen des »Tartarus« aufleuchten sehen, ereignet sich das Unglaubliche: Lucifer – der »Lichtträger«, der Rebell, der von Gott abgefallene und aus dem Himmel gestürzte Engelsfürst und Verführer der Menschen – erscheint »inmitten der Hauptbühne«. Mit dem dreimaligen Bekenntnis »Pater peccavi« (»Vater, ich habe gesündigt«) bereut Lucifer seine Rebellion und kann so in die Gottheit wieder hineingenommen werden. Das erwartete Weltgericht als Strafe und Abrechnung von Sünde findet nicht statt. Durch Lichtstrahlen wird er rückverwandelt in den »Lucifer von einst«. In der Gestalt des Lucifer als Symbolträger für die »Vergessung aller Schuld« endet so die durch die Schöpfung der Welt eingetretene Selbstentzweiung des Göttlichen mit der Zurücknahme des Bösen oder besser: mit der Rückkehr der Gottheit in sich selbst. Eine »Vox mundana«, bestehend aus einem Chor mit Tenor- und Altsolo, erklingt daraufhin immer leiser bis zum völligen Erlöschen; die Worte lauten: »Venio ad te – tu paraclitus es et summus finis« (»Ich komme zu dir – du bist der Tröster / Löser und das letzte Ziel«). »Voces caelestes« antworten: »Ta panta Nus« (»Alles ist Geist«). Ein rein instrumentaler Gambenkanon, von der Szene scheinbar gänzlich gelöst, beschließt das Werk.
Thomas Rösch
Nachweise
Textnachweis Inhalt: Rösch Thomas: »Carl Orff: De temporum fine comoedia«, in: Komponisten in Bayern, Bd. 65: Carl Orff, hrsg. von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer, München 2021, S. 178-189.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: De temporum fine comoedia – Das Spiel vom Ende der Zeiten – Vigilia, Partiturautograph, 1971, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.56 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Besetzung: Schauspieler, Sänger, Orchester, Tonband
Sprache: deutsch, altgriechisch, lateinisch
Entstehungszeit: 1955–1960
Uraufführung: 17. März 1983 Erasmus-Grasser-Gymnasium, München (D) · Spiel- und Musikgruppen des Erasmus-Grasser-Gymnasiums München
Aufführungsdauer: 85′
Das Diptychon ist Teil der Werkgruppe Bairisches Welttheater
Werkteile / Gliederung
Das Diptychon verbindet die beiden folgenden Werke in der angegebenen Reihenfolge:
1. Ludus de nato Infante mirificus – Ein Weihnachtsspiel (1960)
2. Comoedia de Christi Resurrectione – Ein Osterspiel (1955)
Die beiden Stücke Ludus de nato Infante mirificus und Comoedia de Christi Resurrectione können unter der Bezeichnung Diptychon zusammen als abendfüllendes Werk aufgeführt werden. Die Reihenfolge Ludus – Comoedia ist jedoch bindend. Beide Teile sind aber auch einzeln aufführbar.
Informationen zu Handlung und Besetzung finden sich bei den jeweiligen Einzelwerken.
Kommentar
Um den Zusammenhang von Ludus de nato Infante mirificus und Comoedia de Christi Resurrectione zu verdeutlichen, kombinierte Orff beide Werke unter dem Titel Diptychon. Mit dieser Bezeichnung stellte er sie einerseits wie Bilder eines Zweiflügelalters gegenüber; andererseits erreichte er durch diese Verknüpfung ein abendfüllendes, in Inhalt, Sprache und Musik geschlossenes Werk.
Grundidee, dramaturgischer Bau und szenische Gestaltungprinzipien sind in beiden Stücken gleich und sollen im Folgenden grob skizziert werden. Die Grundidee wurzelt im an sich schon dramatischen Dualismus von Gut und Böse. Der dramaturgische Bau wiederum basiert auf einer dreiteiligen Struktur: Eine dialogische Kernszene wird von musikalischen Szenen gerahmt. Und die dramaturgische Gestaltung erwächst aus dem Verlegen der Heilshandlung auf eine zuschauernahe Ebene: Nicht das göttliche Paar mit dem Neugeborenen wird präsentiert und auch nicht der Auferstandene selbst, sondern Menschen »wie du und ich« werden bei ihrer Konfrontation mit dem Göttlich-Unfassbaren gezeigt; das Unfassbare wird für den Zuschauer im Bühnengeschehen also fassbar(er) gemacht: Hirten erzählen von ihren Erlebnissen mit dem umherirrenden Paar; Kinder tragen, symbolisch für die Geburt Christi, Kerzen durch die Winternacht; Wachsoldaten sprechen über die Weissagungen und die Kreuzigung Christi. Konsequenterweise werden in der Musik die unfassbaren, himmlischen Handlungselemente ins Unsichtbare, also hinter die Bühne verlegt: Engelschöre, Stimmen der schlafenden Blumen, Stimme der Erdmutter usw.
Das zunächst irritierende Faktum der Mehrsprachigkeit beider Stücke weicht einer zwingenden Logik, wenn man bedenkt, dass durch diese sprachliche Vielgestaltigkeit den beiden zentralen Ereignissen der christlichen Heilsgeschichte eine universale, zeit- und raumlose Gültigkeit verliehen wird. Orff geht bei der Verwendung der Sprachen allerdings durchaus subtil vor: Soll das Handlungsgeschehen für den Zuschauer unmittelbar greifbar gemacht werden (also im Mittelteil der beiden Stücke), verwendet Orff die bairische Sprache. Mit ihr gelingt es ihm, Fakten viel kerniger, kraftvoller, packender zu fassen als es in der Hochsprache möglich wäre. Die Zunge des Überirdischen hingegen ist bei Orff das Griechische und vor allem Lateinische: Beiden haftet stets ein Nimbus des Geheimnisvollen an, zusätzlich dadurch unterstützt, dass lediglich in Verbindung mit diesen Sprachen, also in den Rahmenteilen der beiden Stücke, Musik erklingt. Verwirrend erscheint zunächst, dass Orff auch den dämonischen Kräften die lateinische Sprache zuweist. Jedoch wird bei diesen Figuren die lateinische Sprache ins Negativ verkehrt: Hier dient sie zu dunklen magischen Beschwörungen, zu rätselhaften Flüchen und mysteriösen Bannrufen.
Schwierig scheint auf den ersten Blick die Platzierung des Diptychons im Spielplan eines Theaterjahres. Zieht man aber in Betracht, dass die Comoedia das Gesamtgeschehen beider Stücke mit einem glücklichen Ende abschließt, liegt zweifelsohne eine Aufführung des Zweiteilers im März oder April eines Jahres näher.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Diptychon«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 78-79.
Bildnachweis:: [Titelseite] Carl Orff: Diptychon, Programmheft, UA, Erasmus-Grasser-Gymnasium, München 17. März 1983.
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Das Opfer
Musikdrama op. 20
Dichtung von Carl Orff, frei nach dem japanischen Drama »Terakoya« (Die Dorfschule) von Takeda Izumo in der Übersetzung von Karl Florenz
Besetzung: Sopran, Tenor, Bariton, Kinder, gemischter Chor, Orchester
Sprache: deutsch
Entstehungszeit: 1913
Uraufführung: 30. Januar 2010 in Darmstadt, Staatstheater, Großes Haus (D) · Dirigent: Constantin Trinks · Choreinstudierung: André Weiss · Inszenierung: John Dew · Kostüme: José-Manuel Vázquez · Bühnenbild: Heinz Balthes (szenische Aufführung)
Aufführungsdauer: 50′
Besetzung detailliert
Personen: Kwan Shusai, Sohn des ermordeten Kanzlers Michizane, vor der Welt als eigener Sohn Genzos in dessen Hause aufgezogen, 8 Jahre alt (Sopran) – Genzo, Lehrer in Seryo (Bariton) – Tonami, sein Weib (Sopran) – Matsuo, ehemals Vasall des Kanzlers Michizane, nach dessen Ermordung zum Kanzler Tokihira übergetreten (Bariton) – Chiyo, sein Weib (Sopran) – Kotaro, beider Sohn, 8 Jahre alt (Sopran) – Gamba, Kammerherr in Tokihiras Dienst (Tenor) – Sansuke, Diener Matsuos – Sieben Bauernkinder, Schüler Genzos, 7-9 Jahre alt – Bewaffnete unter Gambas Befehl – Chor, hinter der Bühne (SATB)
Orchester: 3 · 3 · Engl. Hr. · 3 · Bassklar. · Altsax. · Tenorsax. · Basssax. · 3 · Kfg. – 4 · 3 · 3 · 2 – P. S. (Glsp. · Trgl. · Beckenpaar · gr. Tr. · Tamt. · Gong) – Glasharm. · Klav. · 2 Hfn. – Str.
Bühnenmusik: 2 (2. auch Picc.) · 0 · 0 · 3 – 0 · 3 · 3 · 2 – P. S. (Gong · Donnermasch. · Windmasch.) – Glasharm. · Hfe. – Str. (4 · 0 · 6 · 0 · 0) [kann verkleinert werden]
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
In einem nächtlichen japanischen Hain treten der Edle Matsuo und seine Frau Chiyo aus einem Tempel. Auf die scheinbar gefasste Bemerkung Matsuos hin, der Gott habe ihr gemeinsames Kind als Opfer angenommen, bricht Chiyo zusammen.
Wenige Tage später bringt Chiyo ihren Sohn Kotaro in die Dorfschule des Lehrers Genzo und bittet dessen Frau, den Jungen als Schüler aufzunehmen. Kurz nachdem die Mutter das Schulgebäude verlassen hat, stürzt völlig verstört der Lehrer selbst herein. Als treuer Gefolgsmann des ehemals regierenden Fürsten Michizane hatte er nach dessen Ermordung den Sohn Michizanes, Kwan Shusai, als Schüler in der Dorfschule versteckt. Dies aber wurde vor wenigen Augenblicken dem neuen Fürsten Tokihira – einem heftigen Gegner Michizanes – verraten, und schlimmer noch: Dieser hat bereits seine Schergen samt Matsuo ausgeschickt, ihm den Kopf des Fürstensohnes zu bringen. Wie der treue Genzo war auch Matsuo einst Gefolgsmann Michizanes, geriet allerdings durch unglückliche Umstände in die Dienste des neuen Herrschers.
Vor der Schule sind schon die nahenden Soldaten zu hören. In Panik beschließt Genzo, dem beim Hereinkommen sofort die Ähnlichkeit des neuen Schülers mit Kwan Shusai ins Auge stach, Kotaro statt Kwan Shusai köpfen zu lassen. – Matsuo, der das Haupt seines ermordeten Sohnes sehr wohl erkennt, lügt den Schergen vor, der gezeigte Kopf sei das Haupt des Fürstensohnes Kwan Shusai.
Nachdem Matsuo und die Soldaten Tokihiras abgezogen sind, stürzt Chiyo herein, ihren Sohn zu sehen. In höchster Not zückt Genzo das Schwert, um auch die Mutter zu töten; jedoch fängt Chiyo den Schwertstreich geistesgegenwärtig mit dem Schreibpult ihres Sohnes auf. Aus dem zersplitternden Pult fallen ein Sterbekleid und Begräbnisfahnen. Dem erschrockenen Genzo dämmert nun, dass Chiyo und Matsuo ihren Sohn absichtlich in die Dorfschule gaben, um ihn statt des Fürstensohnes zu opfern.
Der gebrochen eintretende Matsuo bestätigt diese Vermutung und erklärt, mit der Opferung des eigenen Sohnes dem ermordeten Michizane endlich wieder Loyalität erwiesen zu haben. Chiyo, die den Tod ihres Sohnes nicht verwinden kann, sinkt entseelt zu Boden.
Kommentar
1912 wurde Orff Student an der Münchner Akademie der Tonkunst. Und im gleichen Jahr erhielt er zu Weihnachten ein Japanbuch Lafcadio Hearns. Orff war so begeistert davon, dass er nur wenige Wochen später ein Buch des deutschen Japanforschers Karl Florenz nachgereicht bekam: Japanische Dramen. In diesem stieß er auf das Theaterstück Terakoya – Die Dorfschule, das ihn so packte, dass er sich spontan zu ihrer Bearbeitung und Vertonung entschloss. Binnen eines Halbjahres war die Komposition beendet. Nach Rücksprache mit Japanologen gab er dem fertigen Werk den Titel Gisei – Das Opfer.
Drei Monate später legte er die Partitur dem Münchner Dirigenten Hermann Abendroth vor. Dieser allerdings bewertete die Oper dermaßen negativ, dass Orff sie fortan in der Versenkung verschwinden ließ. Es dauerte nun fast hundert Jahre, ehe Gisei 2010 in Darmstadt uraufgeführt wurde.
Zwar zeigen sich in diesem ersten Bühnenwerk Orffs noch Einflüsse Debussys und Wagners, jedoch geht der Komponist, der auch originale japanische Melodien verwendet hat, schon ganz eigenständige, zukunftsweisende musikalische Wege, etwa in der Verwendung der seinerzeit nahezu unbekannten Glasharmonika.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Gisei«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 19 f.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Gisei, op. 20, Bühnenwerk, Klavierauszug, Autograph, 1913, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.24 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Lamento d’Arianna di Claudio Monteverdi (1608)
in freier Neugestaltung von Carl Orff für Alt und Orchester
Besetzung: Alt und Orchester
Sprache: deutsch, italienisch
Kompositionsjahr: 1925, rev. Neufassung 1940
Uraufführung konzertant (1. Fassung): 16. April 1925, Mannheim (D) · Dirigent: Max Sinzheimer
Uraufführung (Neufassung): 30. November 1940 Gera (D) · Anne-Gertrude Höch, Alt · Dirigent: Carl Orff · Inszenierung: Rudolf Scheel · Bühnenbild: Alfred Siercke
Aufführungsdauer: 12′
Das Werk Klage der Ariadne ist Teil des Triptychons Lamenti
Besetzung detailliert
Person: Ariadne (Alt)
Orchester (erste Fassung): Posaune – Cemb. – Str. (0 · 0 ·3 · 3 · 1)
Orchester (endgültige Fassung): 2 · Engl. Hr. · 2 Bassetthr. · Bassklar. · 1 · Kfg. – 0 · 0 · 3 · 0 – P. – Str.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Endlos lang quälte der stierköpfige Minotaurus die Bevölkerung von Theben, indem er alle neun Jahre von der Stadt vierzehn Menschenleben als Opfergabe forderte. Erst dem Helden Theseus gelang es, das Untier mithilfe der Königstochter Ariadne zu töten. Theseus versprach ihr im Gegenzug die Ehe und nahm die leidenschaftlich verliebte junge Frau mit sich, als er zu Schiff aus Theben abreiste. Nur kurze Zeit später jedoch ließ er sie auf der Insel Naxos zurück.
Ausgesetzt auf dem öden Eiland, klagt die fassungslose und verzweifelte Prinzessin den Treulosen an, ihre Liebe und ihr Vertrauen missbraucht und sich dann gleich einem Verräter aus dem Staub gemacht zu haben. In Ariadnes Erinnerung leuchtet die einst so glückliche Jugendzeit auf, und sie verflucht Theseus dafür, ihr diese goldene Zeit entrissen zu haben. Doch in der unendlichen Weite des Meeres verhallen all die Rachegedanken, die sie dem Fernen hinterherschreit, im Nichts; und hilflos wünscht sich die zur Handlungsunfähigkeit Verdammte Erlösung im Tod.
Kommentar
Wie schon mit seiner vorhergehenden Orpheus-Bearbeitung versuchte Orff auch dieses Stück, die einzig erhaltene Szene aus Claudio Monteverdis Oper Arianna, durch eine Bearbeitung für die Bühnenpraxis zurückzugewinnen.
Für Orff war das Wort von maßgeblicher Bedeutung. Es war ihm der eigentliche Auslöser von Musik, da diese ja dem Wort, also der Sprache entspringt. Und so kreierte der Dichter-Komponist in der Klage der Ariadne durch eine neue Übersetzung einen völlig eigenständigen Text, der den musikalischen Ausdruck und Vortrag formt. Überdies verteilte er die Ausbrüche und Beschwörungspassagen des Monodramas unter dem Gesichtspunkt größerer dramatischer Spannung dramaturgisch neu. Und nicht zuletzt schlug sich Orffs Bearbeitung auch in der Orchesterbesetzung nieder: Während seine Erstfassung 1925 Cembalo, drei Bratschen, drei Celli, Kontrabass und Posaune vorschrieb, gestaltete der Komponist 1940 den Klang für eine szenische Aufführung des Werks fülliger und facettenreicher: Hierfür erweiterte er die Besetzung um zahlreiche Bläser und verteilte den Cembalopart auf zusätzliche Orchesterstimmen.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Klage der Ariadne«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 25 f.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Klage der Ariadne – Kammerkantate – Lamento di Arianna di Claudio Monteverdi 1608, Partiturautograph, 1925, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.50 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Die Geschichte von dem König und der klugen Frau
Libretto vom Komponisten nach dem Märchen Die kluge Bauerntochter der Gebrüder Grimm
englische Übersetzung von Gerhard Lenssen
Besetzung: Solisten, Orchester
Sprache: deutsch, englisch
Entstehungszeit: 1940–1942
Uraufführung: 20. Februar 1943 Frankfurt/Main, Opernhaus (D) · Dirigent: Otto Winkler · Inszenierung: Günther Rennert · Kostüme: I. Ch. Vocke · Bühnenbild: Helmut Jürgens
Aufführungsdauer: 90′
Die Kluge zählt zur Werkgruppe der Märchenstücke
Besetzung detailliert
Personen: Der König · Bariton – Der Bauer · Bass – Des Bauern Tochter · Sopran – Der Kerkermeister · Bass – Der Mann mit dem Esel · Tenor – Der Mann mit dem Maulesel · Bariton – Drei Strolche · Tenor, Bariton, Bass
Orchester: 3 (alle auch Picc.) · 3 (3. auch Engl. Hr.) · 3 (2. auch Bassklar., 3. auch Es-Klar.) · 2 · Kfg. – 4 · 3 · 3 · 1 – P. (auch 1 kl. P.) S. (Glsp. · Crot. · Röhrengl. · Trgl. · versch. Beck. · Tamt. · Tamb. · 2 kl. Tr. · Rührtr. · gr. Tr. · Steinspiel · Sandrasseln · Ratsche · Schelle · Kast.) (4 Spieler) – Hfe. · Cel. · Klav. – Str.
Auf der Bühne: 3 Trp. – S. (kl. Gl. · versch. Tr. · kl. hellklingende Tr.) – Org.
Aufführungsmaterial Schott Music
Weitere Fassung
Die Kluge
Die Geschichte von dem König und der klugen Frau
Libretto vom Komponisten nach dem Märchen Die kluge Bauerntochter der Gebrüder Grimm
Fassung für zwei Klaviere, Pauken und Schlagzeug (4 Spieler) von Friedrich K. Wanek (1980)
Diese Fassung ist nur für Schul- und Laienaufführungen bestimmt.
Personen: siehe Besetzung detailliert
Orchester: P. (auch 1 kl. P.) S. (Glsp. · Crot. · Xyl. · Röhrengl. · Trgl. · versch. Beck. · Tamt. · Tamb. · 2 kl. Tr. · Rührtr. · gr. Tr. · 2 Sandrasseln · Ratsche · Schelle · Kast. · kl. Steinplatte) (4 Spieler) – 2 Klav.
Auf der Bühne: kl. Gl. · kl. hellklingende Tr.
Hinter der Bühne: versch. Tr.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Lautes Stöhnen aus dem königlichen Kerker: Ein Bauer bejammert seine Dummheit. Auf dem Acker hatte er einen goldenen Mörser gefunden und ihn untertanentreu dem König gebracht. Die Bauerntochter allerdings hatte ihren Vater gewarnt: Der König würde denken, der Bauer hätte den Stößel unterschlagen, und den treudummen Mann einkerkern.
Die Klage des Bauern lässt den König aufhorchen. Neugierig geworden, zitiert er die offenbar so kluge Bauerntochter herbei. Drei Rätsel will er ihr stellen. Löst sie diese, sollen sie und der Vater frei sein. Wider Erwarten weiß das Mädchen die Lösungen; der König ist so begeistert, dass er die Kluge auf der Stelle zur Frau nimmt.
Drei Strolche zerreißen sich das Maul über des Königs neue Frau, an deren Klugheit sie nicht so recht glauben. Umso besser, dass sich da eine gute Gelegenheit ergibt, die neue Königin in Augenschein zu nehmen: Es gilt, vor dem König ein Lügenspiel aufzuführen, mit dem der gut zahlende Mauleselmann den täppischen Eselmann um ein neugeborenes Fohlen prellen will. Der König, beim Zabelspiel gerade gegen die Gattin verlierend, spricht tatsächlich ein falsches Urteil – und das scheint nicht einmal der Königin aufzufallen. Feixend ziehen die Strolche mit ihrem Lohn von dannen und besaufen sich ausgelassen.
Der Königin jedoch entging das Fehlurteil mitnichten. Nachts huscht sie zum Eselmann – und schon am nächsten Morgen sitzt der Betrogene vor dem Königsschloss und fischt mit einem Netz im Trockenen. Auf die Frage des Königs, was dieses Treiben denn zu bedeuten habe, antwortet der Fischende: Wenn Maulesel jetzt schon gebären können, dann lässt sich gewiss auch auf dem Trockenen ein Fisch fangen. Der König errät sofort seine Frau hinter diesem Geschehen. Wütend wirft er sie aus dem Haus – jedoch nicht ohne zu erlauben, das ihr Liebste in einer Truhe mitzunehmen – was sie auch macht: Sie verabreicht ihrem Gatten einen Schlaftrunk, lässt den Schlummernden in die Truhe legen und zieht mit ihm vom Schloss. Als der König am nächsten Morgen erwacht, muss er eingestehen, dass ihm seine Frau an Klugheit weit überlegen, ja überhaupt die Klügste ist. Sie winkt bescheiden ab: Nicht Klugheit bestimmte ihr Handeln – die Liebe war’s.
Kommentar
Aus zwei Quellen speist sich die Gestaltung von Orffs Kluge: aus dem internationalen Märchen vom König und der schlauen Bauerntochter sowie aus Karl Simrocks Sprichwörtersammlung Deutsche Sprichwörter, die Orff Anfang der 40er Jahre in die Hände fiel. Schon beim ersten Blick in den Band wirkten zahlreiche Sprüche so suggestiv auf den Komponisten, dass er daraus spontan einige Szenen gestaltete. In der Folge entwickelte er mithilfe dieser Sammlung einen herben, kernigen Knittelvers-Sprachstil, der dem geplanten Stil der Musik adäquat entsprach. Überdies entstand aus dieser Spruchsammlung eine tragende Figurengruppe des Stücks: die Bande der drei Strolche, die als Gegenpol zur Welt des Königs agiert und die Handlung rasant vorantreibt.
Genauso wie Orff in den Carmina Burana seinen musikalischen Stil gefunden hatte, fand er mit der Klugen seinen bühnendramatischen: holzschnitthafte Szenen, die unmittelbar aus der pointierten, klangvollen Sprache erwachsen und zusammen mit einer volksliedhaften Musik eine spontane Bühnenwirkung ergeben. Diese wird noch unterstützt durch die Idee, das Stück auf einer Simultanbühne spielen zu lassen und damit einen stringenten Handlungsablauf zu gewährleisten.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Die Kluge«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 59–63.
Bildnachweis: Max Bignens: Bühnenbildentwurf zu Carl Orffs Die Kluge, Köln, Städtische Bühnen, 1965, Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Ludus de nato Infante mirificus
Ein Weihnachtsspiel
Libretto vom Komponisten
Besetzung: Schauspieler, Orchester, Tonband
Sprache: deutsch, altgriechisch, lateinisch
Entstehungszeit: 1959–1960
Uraufführung: 11. Dezember 1960 Stuttgart, Württembergische Staatstheater (D) · Dirigent: Heinz Mende · Inszenierung: Paul Hager · Kostüme: Leni Bauer-Ecsy · Bühnenbild: Leni Bauer-Ecsy
Aufführungsdauer: 45′
Ludus de nato Infante mirificus ist Teil des Diptychons und zählt zur Werkgruppe Bairisches Welttheater
Besetzung detailliert
Personen: Eine Hexe – Hexen – Hirten – Eine alte Hexe – Kinder im Schnee – Chor der Hexen, von Männern dargestellt
Auf Band: Chor der Engel · Knaben- und Frauenstimmen – Stimmen der schlafenden Blumen · sehr helle Kindersprechstimmen – Stimme der Erdmutter · tiefer Alt
Orchester (vor der Bühne und nach Möglichkeit verdeckt): P. S. (Tenorxyl. · Bassxyl. · 4 Beck. · 3 Gongs · 3 Tamt. · Schlitztr. · 2 Bong. · Tomt. · gr. Tr. · Gläserspiel · Steinspiel · Guiro · Angklung · 3 Holzbl. · Rasseln · Bambusstäbe · Ratsche) (8 Spieler) – Klav.
Hinter der Bühne: Windmasch. · Donnermasch.
Auf Band: Picc. – P. S. (Glsp. · Crot. · Xyl. · Marimba [2 Spieler] · Metallophon · 3 Trgl. · Beck. · gr. Tr.) – 2 Hfn. · Cel. · 2 Klav. · Org. – 3 Kb.
Die beiden Stücke Ludus de nato Infante mirificus und Comoedia de Christi Resurrectione können unter der Bezeichnung Diptychon zusammen als abendfüllendes Werk aufgeführt werden. Die Reihenfolge Ludus – Comoedia ist jedoch bindend.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
In einer schrundigen alpenländischen Berghöhle belauern einige Hexen mit ihrem Zauberspiegel den abendlichen, schneelosen Winterhimmel. Uralte Weissagungen prophezeien für diese Nacht die Geburt eines wundersamen Kindes, das allem teuflischen Blendwerk ein Ende setzen werde. In Angst um seine höllische Macht will das Satansvolk diese Geburt mit aller Gewalt verhindern.
Ein geheimnisvoller Stern als Bote des Kommenden steigt funkelnd am Firmament auf. Als er sich trotz aller Versuche der Zauberinnen nicht auslöschen lässt, trachten sie wütend danach, die hochschwangere Mutter des angekündigten Kindes zu vernichten. Im Zauberspiegel sehen sie sie samt Mann und Reitesel auf schroffen Gebirgspfaden unterwegs. Dämonisch beschwört das Hexenpack einen Wetterzauber herauf: Dunkelheit bricht herein, Wind peitscht auf, es beginnt ungestüm zu schneien, und prompt gehen die Reisenden im Schneesturm irr. Teuflisch triumphierend verziehen sich die Hexen; der Sturm schwindet.
Drei abgekämpfte Hirten tauchen aus dem Dunkel auf. Überglücklich sind sie, als sie ein schützendes Obdach finden. Es dauert nicht lange, und zwei weitere Schäfer schleppen sich heran – auch sie auf der Suche nach einer schützenden Bleibe vor der tödlichen Kälte. Sie erzählen vom Zusammentreffen mit zwei Menschen, mit ihrem Esel in Eis und Schnee verirrt, denen sie eine rettende Hütte gewiesen hatten. Erschöpft von ihren Anstrengungen schlafen die fünf schließlich ein.
Plötzlich schreckt einer der Hirten aus einem wundersamen Traum hoch: Ihm erschienen drei morgenländische Fürsten, unterwegs nach Bethlehem zu einem wundersamen Neugeborenen. Ein zweiter Hirt berichtet von einem ähnlichen Erlebnis: Ihm träumte, in einem Stall zu Bethlehem sei ein glückbringendes Kind geboren – geboren just von der Frau, welcher die Hirten wenige Stunden vorher den rettenden Weg gezeigt hatten. Die fünf beschließen, den Träumen auf den Grund zu gehen; und da die Nacht aufklart, machen sie sich sogleich auf den winterlichen Weg. Über die traumverlorene, nächtlich verschneite Hochebene tragen Kinder funkelnde Kerzen nach Bethlehem. Die im Schnee schlummernden Blumen träumen von Frühling und Licht.
Und die Hexen? Wütend beschimpfen sie einander, am Misslingen des Plans schuld zu sein. Die alte Hexe beruhigt sie: Irgendwann würde sich schon noch eine Gelegenheit zur Vernichtung des Kindes finden. Einstweilen könne man sich ja an den Menschen schadlos halten; die seien leichtere Beute. Zähneknirschend verkriechen sich die Hexen, während die Nacht in jubilierenden Engels- und Kinderstimmen zu klingen beginnt.
Kommentar
Für Orff lag es nahe, seine Comoedia de Christi Resurrectione mit einem Weihnachtsspiel zu vervollständigen. Und dieses gelangte – nicht wie das Osterspiel, das als Fernsehinszenierung uraufgeführt wurde – von vornherein als Bühneninszenierung zur Premiere.
Bemerkenswert an dieser Erstaufführung des Ludus de nato Infante mirificus war vor allem, dass die Musizierenden gänzlich unsichtbar blieben beziehungsweise per Tonband eingespielt wurden: eine Konzeption, die mit ihrer Auflösung des Raums ins Schwebende und Ungreifbare das Traumhafte, Visionäre des Stücks suggestiv verdeutlichte.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: » Ludus de nato Infante mirificus«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 81–83.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Ludus de nato Infante mirificus. Ein Weihnachtsspiel, Partitur, Edition Schott 5265, Mainz 1962.
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Ein kleines Welttheater
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm
englische Übersetzung von Maria Pelikan
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: deutsch, englisch
Entstehungszeit: 1936–1938, rev. Neufassung 1971
Uraufführung: 5. Februar 1939 München, Bayerische Staatsoper (D) · Dirigent: Clemens Krauß · Inszenierung: Rudolf Hartmann · Kostüme: Ludwig Sievert · Bühnenbild: Ludwig Sievert
Aufführungsdauer: 90′
Der Mond zählt zur Werkgruppe der Märchenstücke
Besetzung detailliert
Personen: Erzähler · hoher Tenor – 4 Burschen, die den Mond stehlen · Tenor, 2 Baritone, Bass – Bauer · Bariton – Schultheiß, Wirt · Sprechrollen – Ein anderer Schultheiß · stumme Rolle – Ein alter Mann, der Petrus heißt und den Himmel in Ordnung hält · Bass – Ein kleines Kind, das den Mond am Himmel entdeckt · Sprechrolle – Leute, die in der Schenke zechen und sich den Mond stehlen lassen; Leute, die sich über den gestohlenen Mond freuen und die Toten begraben; Leute, die längst gestorben sind und die der Mond aufweckt · gemischter Chor, Kinderchor, kleine Soli
Orchester: 3 (alle auch Picc.) · 3 (3. auch Engl. Hr.) · 3 (3. auch Bassklar.) · 2 (2. auch Kfg.) – 4 · 3 · 3 · 1 – P. S. (Glsp. · Crot. · Xyl. · Metallophon · Röhrengl. · Gläserspiel · Trgl. · versch. Beck. · gr. Tamt. · Tamb. · kl. Tr. · Rührtr. · gr. Tr. · Ratsche · Rute · Schlittenschellen · Kast. · Uhrgl.) (5 Spieler) – Hfe. · Cel. · Klav. · Harm. · Akk. · Zither – Str.
Auf der Bühne: Wächterhr. (Tuba) – S. (Gl. · 3 Rührtr. · gr. Tr. · versch. Beck. · versch. Tamt. · Donnermasch. · Windmasch. · Blitzeinschlag) – Org.
Aufführungsmaterial Schott Music
Weitere Fassung
Der Mond
Ein kleines Welttheater
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm
Fassung für 2 Klaviere, Orgel, Zither und Harmonium ad lib., Pauken und Schlagzeug von Friedrich K. Wanek (1985)
Diese Fassung ist nur für Schul- und Laienaufführungen bestimmt.
Personen: siehe Besetzung detailliert
Orchester: P. S. (Glsp. · Crot. · Röhrengl. · kl. Tr. · gr. Tr. · Rührtr. · Tamb. · Trgl. · Xyl. · Beck. · gr. Tamt. · Ratsche · Schelle · Uhrgl.) (5 Spieler) – Zith. ad lib. · Harm. (od. E-Org.) ad lib. · 2 Klav.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Ein Erzähler weiß zu berichten: Einst gab es Land, in dem nächtens alles vom Licht des Mondes beschienen war; aber da gab es auch ein Land, wo man nach Sonnenuntergang nicht einmal mehr die eigene Hand vor den Augen sah.
Aus diesem zappendusteren Land nun stolpern vier Burschen in das mondbeschienene Reich. Fasziniert betrachten sie die mild leuchtende Kugel, die sie an einer Eiche hängen sehen. Ein praktisches Souvenir, sind die vier Schlingel sich einig; und ohne viel Federlesen stibitzen sie den Mond für ihr eigenes Land. Dort sind die Bürger, nach anfänglichem Misstrauen, von dem seltsamen Licht hellauf begeistert.
Jahre kommen, Jahre gehen, das Weltenrad dreht sich, und – wie das Erzählerwort berichtet – aus den vier Burschen werden vier Alte am Rande des Grabs. Ihr letzter Wunsch: Einem jeden von ihnen möge ein Viertel des Monds in den Sarg gelegt werden. Und so zerschneidet der Schultheiß den Mond; die Viertel verschwinden in den Särgen, die Särge in der Gruft, und ringsum herrscht wieder stockfinstere Nacht.
Nicht so im Totenreich! Aufgescheucht vom Licht des Mondes – den die vier Burschen rasch wieder zusammengeflickt haben –, krabbeln die Toten aus den Särgen. Noch sind sie verschlafen, aber nicht lange: Rasch werden sie quicklebendig und fallen in ihre alten menschlichen Gewohnheiten zurück: Sie saufen, singen, würfeln, kegeln, huren und machen die Unterwelt zum reinsten Vergnügungspark.
So hoch geht es her, dass sogar Petrus im Himmel aufmerksam wird. Da muss er doch mal nach dem Rechten sehen! Aber weil der Hüter des Himmels kein Spielverderber ist, mischt er bei dem bunten Unterweltstreiben ausgelassen mit, stimmt gar ein schmissiges Sauflied an. Freilich, die Katerstimmung lässt nicht lange auf sich warten: Melancholisch sinniert Petrus über das oft so sinnlose Treiben auf der Erde. Die Toten pflichten ihm, schon mehr schlaftrunken als trunken, bei. Immer müder werden sie; und – eingelullt von Petrus‘ Schlaflied – tappen sie nach und nach gähnend zurück in ihre Särge.
Und der Hüter des Himmels? Dem Erzählerwort gemäß, hüllt Petrus die Mondkugel sacht in seinen Mantel, nimmt sie mit in den Himmel und hängt sie dort auf. Ein kleines Kind entdeckt das nächtliche Licht dort zuerst: »Ah, da hängt ja der Mond!«.
Kommentar
Vorlage für dieses kosmische Welttheater, von Orff ursprünglich für eine Marionettenbühne gedacht, boten die Brüder Grimm mit ihrer Sammlung Kinder- und Hausmärchen. Orff griff daraus die Geschichte vom Mond auf, um ein Stück zu gestalten, das einerseits alle Vergeblichkeit menschlichen Bemühens vorführt, die Weltordnung zu stören, andererseits aber auch die Verwobenheit des Menschen in eben diese Ordnung zeigt. Freilich gehen damit Text und Geschehen des Stücks weit über die Märchenvorlage hinaus – am meisten wohl in der Unterweltsszene. Die Handlung selbst changiert spielerisch zwischen Schwank und Mysterienspiel, Schabernack und Tragödie, Groteske und dämonischem Mummenschanz.
Die Bezeichnung »kleines Welttheater« rührt von den drei Schauplätzen des Geschehens her: Erde, Himmel, Unterwelt, die – so der Gedanke des Komponisten im Nachwort zur endgültigen Fassung 1970 – im Sinne einer Simultanbühne gleichzeitig zu sehen sein sollen.
Die Musik des Monds hat der Komponist als seinen »Abschied von der Romantik« bezeichnet. Einige Melodien übernahm er aus den damals bereits veröffentlichten Sammlungen des Schulwerks.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Der Mond«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 53–56.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Der Mond – Ein kleines Welttheater, Partiturautograph, 1938, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.54 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Ein Trauerspiel des Sophokles in der deutschen Übersetzung von Friedrich Hölderlin
Textdichter/-vorlage: Sophokles
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: deutsch
Entstehungszeit: 1951–1959
Uraufführung: 11. Dezember 1959 Stuttgart, Württembergisches Staatstheater (D) · Dirigent: Ferdinand Leitner · Inszenierung: Günther Rennert · Kostüme: Caspar Neher · Bühnenbild: Caspar Neher
Aufführungsdauer: 160′
Oedipus der Tyrann ist Teil der Werkgruppe Griechische Tragödien
Besetzung detailliert
Personen: Oedipus · Tenor – Ein Priester · Bass – Kreon · Bass – Chorführer · Bariton – Tiresias · Tenor – Jokasta · Mezzosopran – Ein Bote aus Korinth · Sprechrolle – Ein anderer Bote · Bass – Ein Hirte des Lajos · Sprechrolle – Chor der Thebanischen Alten
Orchester: 6 (alle auch Picc., 5. u. 6. auch Altfl.) · 6 · 0 · 0 – 0 · 0 · 6 · 0 – P. S. (2 Glsp. · Tastenglsp. · Crot. · 2 Xyl. · 5-6 Tenorxyl. · 2 Bassxyl. · Marimba · Metallophon · Röhrengl. · Trgl. · 3 Beckenpaare · 3 hg. Beck. · 2 javan. Gongs · 3-5 Tamt. · 2 Bong. · 2 Timbales · 3 Tamb. · Tomt. · 3 Cong. · 5 Holztr. · 2 gr. Tr. · Steinspiel · Klappholz · Guiro · Kast. · Sistren) (12-18 Spieler) – Mand. · Cel. · 4 Hfn. · 6 Klav. (Flügel, 10 Spieler) · Glashfe. – 9 Kb.
Hinter der Bühne: 8 Trp. – mehrere gr. Tamt. mit Beck. Geschlagen
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Einst war dem Korinther Prinzen Oedipus prophezeit worden, er werde seinen Vater morden und seine Mutter heiraten. Aus diesem Grunde verließ er überstürzt seine Familie und tötete auf der Flucht blindlings einen Fremden. Zuletzt gelangte er nach Theben, das von der Sphinx tyrannisiert wurde. Dem Korinther glückte ihre Vernichtung, und die Freude der befreiten Stadt war so groß, dass man den jungen Mann zum Regenten ausrief und ihn mit der Witwe des jüngst ermordeten Königs Laios vermählte.
Die Freude war nur von kurzer Dauer: Eine verheerende Seuche grassiert in der Stadt. Auf der Suche nach einer Lösung schickt Oedipus seinen Schwager Kreon nach Delphi. Des Orakels Antwort: Die Seuche wird erst dann ein Ende finden, wenn der rätselhafte Mord an Laios aufgeklärt ist.
Oedipus setzt alles daran, den Mörder zu enttarnen. Im Verlauf der Ermittlungen lässt er auch den blinden Seher Tiresias vorladen. Dieser jedoch antwortet so ausweichend auf Oedipus‘ Fragen, dass sich der König selbst verdächtigt sieht. Wütend beschuldigt er Tiresias, zusammen mit dem königlichen Schwager Kreon einen Umsturz zu planen.
Königin Jokasta versucht ihren Mann zu beruhigen: Wie sollte denn Laios von Oedipus getötet worden sein, wurde er doch seinerzeit von einem Wanderer gemeuchelt! Oedipus ist verunsichert: Wäre es möglich, dass der Mann, den er damals erschlug, König Laios und damit sein eigener Vater war? Jokasta widerlegt auch diesen Verdacht: Laios‘ Nachkomme wurde bereits als Säugling ausgesetzt, da ein Orakel geweissagt hatte, Laios werde von seinem eigenen Sohn getötet.
In dieser Situation bringt ein korinthischer Bote die Neuigkeit, der dortige König sei verstorben und Oedipus solle sein Nachfolger werden. Jokasta frohlockt: Nun könne Oedipus gar nicht mehr seinen Vater töten, da dieser jetzt offensichtlich eines natürlichen Todes gestorben sei. Oedipus ist nicht überzeugt, denn in seiner Jugend ging am korinthischen Hof das Gerücht, Oedipus sei gar nicht der leibliche Sohn des Königs.
Ein korinthischer Hirte bestätigt diese Fama: Laios‘ kleiner Sohn wurde seinerzeit gar nicht ausgesetzt, sondern mitleidig an das korinthische Königspaar weitergegeben; dieses habe den Knaben an Kindes Statt aufgezogen. Entsetzt erkennt Jokasta nun, dass sie ihren eigenen Sohn geheiratet hat; in ihrer Schande erhängt sie sich. Oedipus sticht sich mit Jokastas Fibeln die Augen aus.
Kommentar
Noch während der Probenzeit zur Uraufführung seiner Antigonae entschloss sich Orff, die zweite Sophokles-Übersetzung von Hölderlin, also Oedipus der Tyrann, zu vertonen. Allerdings vermochte der Komponist erst nach der Fertigstellung des Trionfo di Afrodite das geplante Werk ernsthaft in Angriff zu nehmen.
Während Orff freilich für seine Antigonae noch eine völlig neue Orchesterbesetzung schaffen musste, konnte er sich im Oedipus auf seine Erfahrungen stützen und diese weiterentwickeln. Dasselbe traf auch auf den bei Antigonae erarbeiteten Deklamationsstil zu: Im neuen Werk jedoch gab er dem gesprochenen Wort noch mehr Raum, behandelte es teils rezitativisch, teils in Form gesprochener »Arien« oder melodramatisch – alles mit dem Ziel, die Reflexion der Figuren noch suggestiver zu gestalten. Nicht von ungefähr spricht Orff bei diesem Werk von Sänger-Darstellern, und nicht von ungefähr sieht er die Rolle des Kreon mit einem Schauspieler besetzt und gibt in der Partitur keine Stimmgattung an.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: » Oedipus der Tyrann«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 93-95.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Oedipus der Tyrann – Ein Trauerspiel des Sophokles in der deutschen Übersetzung von Friedrich Hölderlin, Partiturautograph, 1959, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.68 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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L’Orfeo. Favola in musica di Claudio Monteverdi (1607)
in freier Neugestaltung von Carl Orff
Textfassung von Dorothee Günther
Besetzung: Sprecher, Solisten (SATB), Chor, Tänzer, Orchester
Sprache: deutsch
Kompositionsjahr: 1922–1925, rev. Neufassungen 1929 und 1940
Uraufführung (1. Fassung): 17. April 1925 Mannheim, Nationaltheater (D)
Uraufführung szenisch (endgültige Fassung): 4. Oktober 1940 Dresden, Sächsisches Staatstheater (D) · Dirigent: Karl Böhm · Inszenierung: Heinz Arnold · Bühnenbild: Emil Preetorius
Aufführungsdauer: 60′
Das Werk Orpheus ist Teil des Triptychons Lamenti
Besetzung detailliert
Personen: Sprecher – Orpheus (Tenor) – Eurydike (Sopran) – Die Botin (Alt) – Wächter der Toten (Bass) – Hirten, Nymphen, Schatten – gemischter Chor und Tanzgruppe
Orchester: 3 · 3 (3. auch Engl. Hr.) · 0 · 2 Bassetthr. · Bassklar. · 3 (3. auch Kfg.) – 0 · 3 · 4 · 0 – P. – 2 Hfn. · 3 doppelchörige Lauten – Str.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Ein Prolog, der kurz in die Handlung des Stücks einstimmt, eröffnet alsbald den Blick auf eine traumhafte arkadische Landschaft. Dort preisen der Sänger Orpheus und seine Gattin Eurydike inmitten fröhlicher Hirten und Nymphen leidenschaftlich ihr Liebesglück. Aber nur kurz währen diese goldenen Momente, denn wenig später stürzt eine Botin herbei, um dem einen Wald durchstreifenden Poeten behutsam Eurydikes jähen Tod nahezubringen. Orpheus, vom Schmerz überwältigt, nimmt all seinen Mut zusammen und macht sich auf den Weg ins Totenreich: Er will seine über alles geliebte Frau zurück erbitten. Kraft seiner herzzerreißenden Klage gelingt es ihm tatsächlich, den Wächter der Unterwelt zu erweichen. Dieser gibt Eurydike frei – aber unter einer Bedingung: Orpheus darf seine Gattin solange nicht ansehen, bis er mit ihr das Reich der Schatten verlassen hat. Alles scheint zu glücken; jedoch kurz vor dem Bestehen der Prüfung, in einem winzigen Augenblick des Zweifels, wendet sich Orpheus um – und verliert Eurydike für immer.
Kommentar
Orffs Schwierigkeit bei seiner ersten Einrichtung einer Monteverdi-Oper bestand vor allem darin, die Klangwelt der Renaissance neu zu erschaffen, weil die Originalpartitur, wie damals üblich, nicht für bestimmte Instrumente ausgeschrieben war: Sie enthielt zwar alle Vokalpartien, die Verteilung der Orchesterstimmen auf die verschiedenen Stimmen allerdings oblag im 17. Jahrhundert dem musikalischen Leiter und den Musikern. Hinzu kam für Orff das Problem, alte Instrumente aufzutreiben, die überdies zumeist von den damaligen Musikern nicht gespielt werden konnten. Zudem waren diese Musiker oft auch nicht mit dem Generalbassspiel vertraut. Des Weiteren bereitete die Aufstellung des Orchesters Orff immenses Kopfzerbrechen, bedingt durch die Tatsache, dass in Monteverdis Epoche das Orchester hinter der Szene positioniert war. Und nicht zuletzt störten den Komponisten zeitgebundene Elemente des Textes wie etwa Huldigungsfloskeln an den Fürsten. All dies führte im Endeffekt dazu, dass Orff eine grundlegende Neufassung einschließlich eines neuen dramaturgischen Werkkonzepts erstellte.
Nachdem sich in den zwanziger und dreißiger Jahren Orffs Bearbeitung des Orpheus recht großer Beliebtheit erfreute, setzte sich der Komponist nochmals mit seiner Bearbeitung auseinander und versuchte, die Aufführbarkeit des Werks hinsichtlich Textverständlichkeit, Instrumentierung und Dramaturgie zu verbessern.
Dies führte in der letzten Werkfassung 1939 schließlich dazu, dass Orff den Prolog der Musica durch eine der ältesten Fassungen des Orpheus-Mythos überhaupt ersetzte. Sie wurde vom Mönch Notker Teutonicus (auch Notker III. Labeo genannt) um 1000 im Kloster St. Gallen niedergeschrieben, als er De consolatione philosophiae, das philosophische Hauptwerk von Boethius, ins Althochdeutsche übertrug. In diesem Buch hatte Boethius am Ende des 12. Kapitels des 3. Buches die Orpheus-Geschichte in Form eines Gesangs überliefert. Orff seinerseits übertrug Notkers Übersetzung nun ins Hochdeutsche. An Textverständlichkeit und -deutlichkeit lag dem Komponisten so sehr, dass er auch Abschnitte, die in seiner Erstfassung der Chor interpretierte, in der Letztfassung einem einzelnen Sänger übertrug; andere Passagen wiederum, etwa die der Botin, formulierte Orff sprachlich noch prägnanter. Die Rolle des Orpheus wurde jetzt einem Tenor übertragen. Im Orchester nahm Orff gravierende Änderungen gegenüber seiner Erstfassung vor: Er strich beispielweise Cembalo, Orgel und Gamben und schuf ein neues, modernes Klangbild.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Orpheus«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 27-30.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Orpheus – Claudio Monteverdi’s Orfeo. Favola in musica 1607, Partiturautograph, 1922, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.4 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Tragödie des Aischylos
Textdichter/-vorlage: Aischylos
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: altgriechisch
Entstehungszeit: 1963–1967
Uraufführung: 24. März 1968 Stuttgart, Württembergisches Staatstheater (D) · Dirigent: Ferdinand Leitner · Inszenierung: Gustav Rudolf Sellner · Kostüme: Teo Otto · Bühnenbild: Teo Otto
Aufführungsdauer: 130′
Prometheus ist Teil der Werkgruppe Griechische Tragödien
Besetzung detailliert
Personen: Kratos et Bia – Hephaistos – Prometheus – Chorus Okeanidum – Okeanos – Io Inachis – Hermes
Orchester: 6 (alle auch Picc., 6. auch Altfl.) · 6 (5. u. 6. auch Engl. Hr.) · 0 · 0 – 0 · 6 · 6 · 0 – P. (auch Holzpauke) S. (Glsp. · 8 Crot. · 2 Xyl. · 2 Tenorxyl. · Bassxyl. · 2 Marimba · Metallophon · Bassmetallophon · Röhrengl. · Trgl. · 3 Gongs · Beckenpaar · 3 hg. Beck. · 5 türk. Beck. · 3 chin. Beck. · 3 Tamt. · 3 Tamb. · 2 Cong. · kl. Tr. · 2 gr. Tr. · Steinspiel · 2 Metallpl. · Plattengl. · Guiro · 5 Holzbl. · 4 Tempelbl. · afrikan. Schlitztr. · Holzplatte · 2 Bambusstäbe · O-Daiko · Taiko · 4 Darabukka · 2 Hyoshigi · Wasamba · Bin Sasara · 4 Mar. · 2 Angklung · 7 Gläser · Windmasch. · Donnermasch.) (15-18 Spieler) – 4 Ten.-Banjos · 4 Hfn. · 4 Klav. (Flügel, 8 Spieler; auch Beck., Crot., Holz- u. Paukenschlägel) · Org. · E-Org. – 9 Kb.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Einst hatte der Titan Prometheus dem Zeus geholfen, die Oberherrschaft über die Götter zu erlangen. Doch als er, sich dem Befehl des neuen Herrschers widersetzend, den Menschen das Feuer brachte und sie in allerlei Künsten unterwies, flammte der Zorn des Göttervaters auf: Und so schmieden Zeus‘ Schergen den Rebellen nun an ein meerumtostes Felsenriff.
Allein geblieben, schreit der Titan seinen Schmerz heraus. Die Töchter des Meeresgottes Okeanos eilen herbei, versichern dem Angeketteten ihr Mitleid. Da naht auf seinem Flügelpferd Okeanos selbst: Bei Zeus will er für den Gequälten bitten. Dieser allerdings möge sich künftig dem Göttervater beugen. Prometheus weist dieses Ansinnen stolz zurück, und Okeanos entfernt sich unverrichteter Dinge. Ein Trost bleibt dem gemarterten Titanen: Er allein weiß, wie der geweissagte Untergang des Göttervaters verhindert werden kann, und Zeus will durch seine Folter eben dieses Geheimnis erzwingen.
Io hetzt heran. Zeus‘ Spruch hatte sie in eine Kuh verwandelt, nachdem sein Verhältnis mit der Najade Gattin Hera zu Ohren gekommen war. Die Göttermutter freilich hatte die List durchschaut und Io als Rache eine Rinderdassel gesandt, welche die Unglückliche nun durch die ganze Welt jagt. In diesem Taumel erreicht Io auch den Felsen des Prometheus. Seine seherische Gabe vermag ihr kurz Trost zu schenken, denn der Titan eröffnet der Verfolgten, Zeus selbst werde sie einst in die menschliche Gestalt zurückverwandeln; ja mehr noch: Io werde Zeus einen Sohn gebären, aus dessen Geschlecht Prometheus‘ Retter hervorgehen wird. Kaum kann Io aus diesem Orakel Kraft schöpfen, denn schon schlägt der Stachel des Insekts wieder zu.
Prometheus‘ Prophezeiung für Io gibt ihm neues Selbstbewusstsein. Als daher, von Zeus beauftragt, Hermes naht, dem Titanen sein wohlgehütetes Geheimnis zu entlocken, stößt dieser auf taube Ohren. Selbst die schlimmsten Drohungen machen Prometheus nicht wanken. Der Götterbote macht sich wütend fort, und Zeus‘ Rache lässt nicht lange auf sich warten: Sein Blitz schlägt in Prometheus‘ Felsen und lässt ihn im Tartarus versinken.
Kommentar
In Orffs Augen konnte nur eine musikalische Gestaltung dieses Aischylos-Werks wirklich suggestives Bühnengeschehen gewährleisten. Nach seiner Entscheidung, Prometheus desmotes von Aischylos zu vertonen, erkannte der Komponist allerdings, dass weder einer deutschen noch einer lateinischen Übersetzung die Musikalität des Altgriechischen innewohnt. Und so entschloss er sich zur Vertonung des Originals.
Da es keine definitive Deklamationsform der griechischen Verse gibt, ging Orff daran, das Altgriechische auf seine Weise in Musik zu setzen, brachte die Verse in nuancierten Rezitationsweisen zum Tönen und schuf fließende Übergänge vom gesprochenen zum gesungenen Wort.
Dass es sich bei der Prometheus-Thematik, dieser zeitlosen Anklage gegen herrscherliche Willkür, um einen weltimmanenten Urmythos handelt, der zwar in der griechischen Tragödie seine vollendete Form gefunden hat, aber gleichwohl in Afrika wie im Fernen Osten beheimatet ist, macht Orff nicht zuletzt auch dadurch hörbar, dass er Instrumente aus diesen Kulturkreisen in seinen Orchesterapparat einbezieht. Konkret unterstreicht er mit dieser Instrumentenwahl beispielsweise die weltumspannende Irrfahrt Ios, deren »leitmotivisches« Instrument die Darabukka, Instrument arabischer Wandermusiker, ist.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Prometheus«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 97-99.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Prometheus – Tragödie des Aischylos, Partiturautograph, 1967, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.69 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Schauspiel von William Shakespeare
nach der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel eingerichtet von Carl Orff
Besetzung: Schauspieler, Orchester, Tonbandeinspielung (ad. lib.)
Sprache: deutsch
Entstehungszeit: 1917–1962
Uraufführung Frankfurter Fassung: 14. Oktober 1939, Frankfurt/Main, Schauspielhaus · Dirigent: Hermann Laternser· Inszenierung: Robert George · Bühnenbild: Helmut Jürgens
Uraufführung Darmstädter Fassung: 30. Oktober 1952, Darmstadt, Hessisches Landestheater · Dirigent: Karl List · Inszenierung: Gustav Rudolf Sellner · Bühnenbild: Franz Mertz · Kostüme: Lieselotte Schwarzer und Franz Mertz
Uraufführung endgültige Stuttgarter Fassung: 12. März 1964, Stuttgart, Staatstheater · Dirigent: Klaus Nagora · Inszenierung: Dietrich Haugk · Bühnenbild und Kostüme: Roman Weyl
Aufführungsdauer: 90′
Ein Sommernachtstraum zählt zur Werkgruppe der Märchenstücke
Besetzung detailliert
Personen (Schauspieler): Theseus, Herzog von Athen – Egeus, Vater der Hermia – Lysander, Liebhaber der Hermia – Demetrius, Liebhaber der Hermia – Philostrat, Aufseher der Lustbarkeiten am Hofe des Theseus – Squenz, der Zimmermann – Schnock, der Schreiner – Zettel, der Weber – Flaut, der Bälgenflicker – Schnauz, der Kesselflicker – Schlucker, der Schneider – Hippolyta, Königin der Amazonen, mit Theseus verlobt – Hermia, Tochter des Egeus, in Lysander verliebt – Helena, in Demetrius verliebt – Oberon, König der Elfen – Titania, Königin der Elfen– Droll, ein Elf – Bohnenblüte, Spinnweb, Motte, Senfsamen, Elfen – Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein, Löwe (Rollen in dem Zwischenspiel, das von den Rüpeln dargestellt wird) – Andere Elfen im Gefolge des Königs und der Königin – Gefolge des Theseus und der Hippolyta – Musikanten
Orchester vor der Bühne (nach Möglichkeit verdeckt): 3 (alle auch Picc.) · 0 · 2 (1. auch Es-Klar., 2. auch Bassklar.) · 0 – 3 · 0 · 0 · 0 – P. S. (Glsp. · Crot. · Xyl. · Bassxyl. · Marimba · Metallophon · Gläserspiel · Röhrengl. · Trgl. · Beckenpaar · hg. Beck. · Tamt. · Tamb. · 2 Bong. · kl. Tr. · gr. Tr. · 3 Holzbl. · Angklung · Bambusstäbe · Guiro · Rassel · Peitsche) (4-5 Spieler) – Hfe. · Cel. · Klav. (auch 4hd.) · Org. – Str. (6 · 0 · 3 · 3 · 3)
Orchester auf der Bühne (teilweise auch hinter der Bühne oder auf Tonband): 3 Tr. – Rüpelorchester: 2 Klar. in C· 2 Tr. · Pos · S. (kl. Tr. · gr. Tr. · Beck.) · 1 Kb.
Hinter der Bühne: Schlitztr. · gr. Muschelhr. · Windmasch.
Teilweise ad. lib. auf Tonband: Kinder-, Frauen- und Männerstimmen · Chor – 3 Picc. – P. S. (Glsp. · Crot. · Xyl. · Bassxyl. · Marimba · Glasglockenspiel · Trgl. · Beck. · Tamt. · Tamb. · Sistrum · Bong. · 3 Holzbl. · Angklung · Bambusstäbe) – Cemb. · Klav. · Org. · Handharm. – Kb.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Mitten in die Hochzeitsvorbereitungen von Herzog Theseus platzt der Athener Egeus; hinter sich her zerrt er seine Tochter Hermia. Diese weigert sich, den vom Vater vorgesehenen Demetrius zu heiraten, riskiert hierfür Kopf und Kragen: Im Fall einer definitiven Weigerung droht ihr nämlich lebenslang die Klosterzelle – so der Urteilsspruch des Herzogs.
In höchster Verzweiflung stimmt Hermia der Idee des heißgeliebten Lysander zu, nachts mit ihm zu fliehen. Einzige Mitwisserin dieses Plans ist Hermias Freundin Helena, ehemals Braut von Demetrius. Voller Hoffnung, Demetrius damit zurückzugewinnen, verrät sie diesem den Fluchtplan des Liebespaares. Aber Helenas Wunschtraum zerbricht: Demetrius kehrt nicht wieder in ihre Arme zurück, sondern beschließt, das flüchtende Paar zu verfolgen.
Mit Einbruch der Nacht stolpern die beiden Paare in den Athener Forst. Bald jedoch gibt es weitere Gäste: Handwerker treffen sich, um ein Theaterstück für die Hochzeit des Herzogs einzustudieren, und da schwirrt auch noch Elfenkönig Oberon umher, schnaubend über seine Gattin Titania – weigert sich die Elfenkönigin doch vehement, dem Gatten ihren indischen Lieblingsknaben abzutreten.
Unwissentliche werden die vier Athener und die Handwerksburschen in den Rosenkrieg des Elfenpaars hineingezogen. Ein gutes Stück trägt freilich Oberons Diener Droll dazu bei, wirbelt er doch regelmäßig die Aufträge seines Herrn durcheinander. Und so hat Oberon alle Hände voll zu tun, damit sich am Ende die rechten Paare finden, die kopflos gewordenen Handwerker ihr Theaterstück in Ruhe proben können und er selbst mit seiner Gattin wieder Frieden geschlossen hat.
Zur finalen Hochzeit des Herzogspaares, der sich die vier frischgebackenen Brautleute mit ihrem Jawort anschließen, stellen sich auch die Handwerker mit ihrem Theaterstück ein. Und Schlag Mitternacht huscht selbst Oberon herbei, den jungen Paaren unbemerkt seine Glückwünsche zu überbringen.
Kommentar
Shakespeares Gedanken- und Szenengut blitzt in zahlreichen Facetten von Orffs Werk auf, sei es in den vier Burschen des Monds, in den Strolchen der Klugen, in der Hexenszene der Bernauerin oder in den Soldatensequenzen des Osterspiels (um nur einige Beispiele zu nennen).
Zeitlebens hat der Komponist sich mit dem englischen Dichter befasst, vor allem mit dessen Ein Sommernachtstraum. Bei seiner Beschäftigung mit diesem Werk ging es Orff von Anfang an vornehmlich darum, das Abgründige in Shakespeares Dichtung wieder stärker hervorzuheben. Nur ein einfaches Simultanspielgerüst sollte Spielfläche sein, die Musiker zum Teil auf der Bühne platziert und ins Spielgeschehen einbezogen sowie dem klangvollen Shakespeare-Wort Primat vor der Musik gelassen werden. Orff sah in diesem Werk weniger eine romantische Traumwelt als vielmehr eine Welt, in der elementare Kräfte regieren – also letztlich ein gefährliches marivauxsches Spiel von der Macht des Eros.
Die Musik soll dabei Akzente setzen, das Bühnengeschehen kraftvoll kolorieren, Stichworte bzw. -klänge geben, Raum schaffen für Bewegung, also den Handlungsimpuls für die Darsteller in sich tragen.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Ein Sommernachtstraum«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 65–68.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Ein Sommernachtstraum, Partiturautograph, 1943, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.53 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Ballo delle Ingrate in genere rappresentativo di Claudio Monteverdi (1608)
in freier Neugestaltung von Carl Orff
Textfassung von Dorothee Günther
Besetzung: Solisten (SMezAB), Chor, Orchester
Sprache: deutsch
Kompositionsjahr: 1925, rev. Neufassung 1940
Uraufführung (1. Fassung): 28. Dezember 1925 Landestheater Karlsruhe (D) · Dirigent: Ferdinand Wagner · Inszenierung: Otto Krauß · Bühnenbild und Kostüme: Dorothee Günther
Uraufführung (Neufassung): 30. November 1940 Gera (D) · Dirigent: Carl Orff · Inszenierung: Rudolf Scheel · Bühnenbild: Alfred Siercke
Aufführungsdauer: 60′
Das Werk Tanz der Spröden ist Teil des Triptychons Lamenti
Besetzung detailliert
Personen: Amor (Sopran) – Venus (Mezzosopran) – Pluto (Bass) – Die Spröden (Altsolo und vierstimmiger Frauenchor) – Höllenknechte (Männerchor, TTTBB)
Orchester: 2 · 0 · 0 · 2 Bassetthr. · Bassklar. · 0 – 3 doppelchörige Lauten ad lib. – Str.
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Vor dem »Höllenrachen«, dem dräuenden Eingang zur Unterwelt, schmieden Amor und seine Mutter Venus pikante Pläne: Es gilt, all den spröden Erdenschönen, die dem Liebesgott immer wieder einen Korb verpassen, eine Lektion zu erteilen. Mutter und Sohn hoffen dabei auf die Hilfe des Höllenfürsten Pluto. Während sich deshalb Amor in die Unterwelt trollt, warnt die zurückbleibende Venus das junge weibliche Publikum davor, sich in der Jugend den Liebesgenüssen zu verschließen und schmachtende Männer mit Liebesentzug zu quälen; das nämlich räche sich später furchtbar: Wen erst mit grauen Haaren der Liebespfeil trifft, der macht sich zum Gespött aller anderen.
Schon kommt der Liebesgott zurück, Pluto im Schlepptau. Venus lässt nun all ihre Reize spielen, dem Unterweltsfürsten ein paar Tugendhafte abzuluchsen, deren viele, zur Strafe für überhebliche Sittsamkeit, in der Unterwelt schmoren. Anhand ihrer soll dem Publikum ein Exempel in Sachen Liebesverweigerung statuiert werden. Zwar zögert Pluto anfangs noch, doch Venus‘ Reize verfehlen ihre Wirkung nicht; und so befiehlt Pluto seinen Höllenknechten, die lächerlichen Spröden herbeizuschaffen. Kaum ans Sonnenlicht zurückgekehrt, beklagen sie lauthals ihren liebesleeren Erdenwandel, der sie in die Hölle hinabführte. Doch viel Zeit bleibt ihnen nicht, das Mitleid des Publikums zu gewinnen, denn Pluto bricht ihr Lamentieren und ihren Tanz kurzerhand ab und scheucht sie in die Unterwelt zurück. Die letzten klagenden Worte der Bestraften gelten den Zuschauerinnen: Mögen sie in Liebesdingen nicht genauso spröde sein, um nicht auch schmählich in Nacht und Dunkel zu versauern.
Amor ist gewiss, dass die Lektion beim Publikum seine Wirkung nicht verfehlte und bittet am Ende die Anwesenden um einen Tanz von fröhlicherer Natur. Wer weiß, vielleicht findet sich ja dabei schon das eine oder andere Paar!
Kommentar
Orffs Bearbeitung von Monteverdis Ballo delle Ingrate stellt eine komplette Neudichtung dar, welche allerdings die Grundidee von Monteverdis Werk beibehält.
In seiner Vorrede zu Ballo delle Ingrate schreibt der Renaissancekomponist: »Al levar de la tela si farà una sinfonia a beneplacito« (Beim Aufgehen des Vorhangs spielt man eine Sinfonia nach Belieben). Dies nahm Orff zum Anlass, auch Musik aus anderen Werken Monteverdis in den Ballo delle Ingrate zu übernehmen.
Dabei wurde der neugedichtete Text – mit Ausnahme der nachkomponierten Rezitative – der gegebenen Musik wortrhythmisch angepasst. Weil Orff sich die Rezitative und Dialoge in einem »Rosenkavalierparlando« wünschte, rückte er die Orchestrierung ins Kammermusikalische.
Bühnenbild und Kostüme der Uraufführung waren in einem Phantasie-Rokoko gehalten, obwohl sich Orff durchaus auch eine Ausstattung im Stil Aubrey Beardsleys vorstellen konnte.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Tanz der Spröden«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 31-33.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Tanz der Spröden – Ein Vor- oder Nachspiel frei nach Claudio Monteverdis „Ballo delle Ingrate“ 1608, Partiturautograph, 1925, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.46 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Concerto scenico
Besetzung: Solisten, Chor, Orchester
Sprache: lateinisch, altgriechisch
Entstehungszeit: 1947–1951
Uraufführung: 14. Februar 1953 Milano, Teatro alla Scala (I) · Dirigent: Herbert von Karajan · Inszenierung: Herbert von Karajan · Kostüme/Bühnenbild: Joseph Fenneker · Choreographie: Tatjana Gsovsky
Aufführungsdauer: 45′
Das Werk Trionfo di Afrodite ist Teil des Tryptichons Trionfi
Werkteile / Gliederung
I. Canto amebeo di vergini e giovani a Vespero in attesa della sposa e dello sposo
II. Corteo nuziale ed arrivo della sposa e dello sposo
III. Sposa e sposo
IV. Invocazione dell‘ Imeneo
Inno all‘ Imeneo
V. Ludi e canti nuziale davanti al talamo
La sposa viene condotta alla camera nuziale
EpitalamoVI. Canto di novelli sposi dal talamo
VII. Apparizione di Afrodite
Besetzung detailliert
Personen: La Sposa / Braut · Sopran – Lo Sposo / Bräutigam · Tenor – Corifei / Chorführer · Tenor, Sopran, Bass – Doppelchor, Großer Chor und Tanzchor: Vergini / Jungfrauen – Giovani / Jünglinge – Vecchi / Greise – Parenti / Eltern und Verwandte – Amici / Freunde – Popolo / Volk
Orchester: 3 (auch 3 Picc.) · 3 (2. u. 3. auch Engl. Hr.) · 3 · 3 (3. auch Kfg.) – 6 · 3 · 3 · 2 – 6 P. S. (Trgl. · 4 Beck. [Beckenpaar u. hg. Beck.] · Tamt. · Röhrengl. · Schellentr. · 2 kl. Tr. · 2 gr. Tr. · 4 Mar. · 4 Hölzer · 3 Glsp. · Xyl. · Marimba · Ten.-Xyl. [Trogxyl.]) (10-12 Spieler) – 3 Git. · 2 Hfn. · 3 Klav. – Str. (12-14 · 12-14 · 12 · 12 · 8)
Aufführungsmaterial Schott Music
Inhalt
Die Handlung führt mitten in eine antike Hochzeitsfeier: An der Festtafel warten junge Männer und Frauen ungeduldig auf die Ankunft des Brautpaars. Da endlich erscheint der Hochzeitszug! Mit begeistertem Jubel wird er begrüßt. Kaum haben die Frischvermählten Gelegenheit, im ganzen Trubel ein paar zärtliche Worte zu tauschen, denn schon rufen die Hochzeitsgäste frenetisch den Segen des Hochzeitsgottes auf das junge Paar herab.
Anschließend begleitet man die Eheleute mit Fackeln zum Brautgemach. Während jedoch die scheue Braut beruhigt und sanft in das Gemach geschoben wird, muss der Bräutigam erst noch ein paar deftige Scherze über sich ergehen lassen, ehe man auch ihn in die Kammer entlässt. Leise wird die Tür geschlossen, den Liebenden noch ein inniger Glückwunsch hinterher geschickt. Verhalten hört man die zärtlichen Stimmen der Neuvermählten, als Aphrodite selbst erscheint, um den beiden ihren Segen zu geben. Stürmisch wird die Liebesgöttin von den Hochzeitsgästen begrüßt.
Kommentar
Zwar fand die Kombination Carmina Burana – Catulli Carmina ihren Platz auf Bühne und Konzertpodium, doch verstärkte sich bei Orff das Gefühl, dieses Zweigespann durch ein drittes Werk abrunden und abschließen zu müssen. Verständlicherweise würde dadurch den Carmina Burana die Funktion des Eröffnungsstücks und den Catulli Carmina die eines Zwischenspiels zufallen. Allerdings tat sich der Komponist nicht leicht, einen Stoff zu finden, der einerseits die beiden vorhandenen Werke gipfeln, zum anderen mit ihnen zusammen eine Sinneinheit ergeben würde. Nach längerer Suche stieß er erneut auf Catull, und zwar diesmal auf seine Hymenäen (Hochzeitsgesänge), die – aufgrund ihrer dialogischen Struktur – in der Darstellung einer antiken Hochzeit immenses dramatisches und szenisches Potenzial in sich bargen. Von Catull führte dann der Weg zur griechischen Dichterin Sappho: Der römische Dichter hatte ein Liebesgedicht der Griechin ins Lateinische übertragen. Und an Sapphos zeitloser Liebeslyrik nun entzündete sich Orffs Begeisterung. Da aber von dieser Dichterin nur Fragmente überliefert sind, sah sich Orff gezwungen, lyrische Bruchstücke, einzelne Strophen und kurze Verse in ein Ganzes zu gießen und diesem dann mit den Hymenäen (Hochzeitsgesängen) Catulls einen handlungsstiftenden Rahmen zu geben. Abschließend krönte Orff seine antiken Hochzeitszeremonie mit einem Text des Euripides: der ekstatischen Anrufung der Liebesgöttin Aphrodite.
Im Gegensatz zu den bildgewaltigen Carmina Burana und den handlungsreichen Catulli Carmina entstand beim Trionfo di Afrodite ein vorwiegend auf Wort und Musik basierendes »szenisches Konzert«.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: »Trionfo di Afrodite«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 49-51.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Trionfo di Afrodite – Concerto scenico, Partiturautograph, 1951, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.66 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
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Orff-Schulwerk I Jugendmusik I Die Weihnachtsgeschichte
Für den Bayerischen Rundfunk geschrieben, von Kindern gesungen und dargestellt. Zum ersten Male gesendet: Weihnachten 1948
Verfasser: Carl Orff (Text), Gunild Keetman (Musik)
Besetzung: Kinderchor (SMezA) mit Soli, Sprecher und Instrumenten
Sprache: deutsch (Bearbeitungen auch fläm., plattdt., rheinhess., schwäb., bayr. und schwed.)
Entstehungszeit: 1948
Publikationsjahr: 1952 (Neuausgabe 1980, Schott ED 3565)
Uraufführung (Erstsendung): 24. Dezember 1948 im Bayerischen Rundfunk München (Deutschland) · Dirigent: Karl List · Regie: Carl Orff
Aufführungsdauer: 30′
Besetzung detailliert
Personenen: Sprecher – Drei Hirten – Der Engel – Maria und Josef – Kinderchor (SMezA) – Soli
Ensemble: Blockflöten ( 2 Diskant f‘‘, 3 Sopran c‘‘, 2 Alt f‘, Tenor c, Bass f) – P. S. (3 Sop.–Glspl. · 4 Alt-Glspl. · Sop.-Xyl. · Alt-Xyl. · Cymb. · Beck. · Trgl. · Schellen · Schellentr. · Tomt. · gr. Tr.) (14 Spieler) – Git. · Laute – 3 Gamben · Vc. · Kb.
Aufführungsmaterial Schott Music
Werkteile / Gliederung
1. Einleitung
2. Tranquillo, sempre molto rubato, quasi improvisamente
3. Pastorale
4. [ohne Bezeichnung]
5. Gloria
6. [ohne Bezeichnung]
7. Marsch der Hirten
8. Vor der Krippe
9. Benedicamus
10. Kindelwiegen
11a. Marsch der Heiligen Drei Könige
11b. [ohne Bezeichnung]
12a. Rverenz
12b. Der Mohr
12c. Die ganz große Reverenz
12d. Abzug der Heiligen Drei Könige
13. Dormi Jesu
14. GloriaInhalt
Nahe Bethlehem kauern drei Hirten am Lagerfeuer. Zwar grübeln sie, warum in dieser bitterkalten Nacht die Schafe und Hütehunde so gar nicht zur Ruhe kommen wollen, aber noch ehe die drei sich weitere Gedanken darüber machen können, schlummern sie auch schon ein. Da, ein eigentümlich schwebender Ton, ein überirdisches Leuchten: In himmlischer Gloriole steht plötzlich ein Engel vor ihnen. Zur nämlichen Stunde sei in Betlehem der Erlöser der Welt geboren, verkündet der Cherub den Aufgeschreckten; und dieser Erlöser liege nun als kleines Kind in einer Futterkrippe. Tausende von Engeln, die plötzlich am Himmel flirren, bestätigen mit rauschenden Gloria-Rufen die Nachricht des Gottesboten.
Eilends raffen die Hirten ein paar Geschenke zusammen und brechen auf, das verheißene Kind zu finden. Wie vom Engel vorhergesagt, liegt es in einem Stall. Anbetend sinken die drei auf die Knie vor dem Neugeborenen, das liebevoll von seinen Eltern gewiegt wird.
Erneut seltsame Klänge: Diesmal sind es die Heiligen Drei Könige. Zu Elefant und schwerbeladen mit Geschenken ziehen sie aus dem Morgenland daher, um dem Kind ihre Verehrung darzubringen. Erstaunt wird das exotische Aussehen und Verhalten der Fremden von den Hirten beschwatzt. Dass aber das morgenländische Dreigespann nach dem Erweisen seiner Referenz gleich wieder abreist, finden die Hirten dann doch unerhört: Man hatte von königlicher Seite wirklich mehr Hilfe für die arme dreiköpfige Familie erwartet! Aber wie ein Hirt erklärt: Das scheint nicht Gottes Wille zu sein.
Und so fügen sich die Schäfer in das gottgegebene Schicksal des Neugeborenen, lauschen dem sanften Schlummerlied der vielköpfigen Engelsschar und werden zuletzt vom erneuten Aufbrausen des himmlischen Gloria mitgerissen.
Kommentar
Nach den ersten, überaus erfolgreichen Rundfunksendungen zur musikalischen Früherziehung wurde im September 1948 an Orff der Wunsch herangetragen, für den kommenden Dezember ein Weihnachtsspiel zu entwerfen. Es sollte Kindern zugedacht und von diesen auch gespielt werden. In Anbetracht der Kürze der Zeit wandte sich der Komponist an Gunild Keetman, mit der zusammen er die Schulwerksendungen gestaltete. Innerhalb weniger Tage entwarf Orff den Text und Keetman komponierte die Musik.
Bei der Stückgestaltung half Orff die Tatsache, dass ihm urwüchsige alpenländische Krippen und Krippenspiele seit frühester Jugend vertraut waren, ja dass er sich solche bereits als kleiner Junge leidenschaftlich gebastelt und ausgedacht hatte. Aufgrund dieser biografischen Prägung konnte sich Orff das Krippenspiel gar nicht anders als in bayerischer Landschaft und Mundart vorstellen. Überdies war durch den kraftvollen bayerischen Dialekt ein Abrutschen des Stücks in peinliche Sentimentalität von vornherein ausgeschlossen.
Die erstmalige Rundfunksendung des Stücks am 24. Dezember 1948 war ein solcher Erfolg, dass das kleine Werk von nun an alljährlich wiederholt wurde. Und nicht nur das: Der große Erfolg ermutigte andere Sender, Die Weihnachtsgeschichte zu übernehmen und weiterzuverbreiten. Fernerhin kam es zu zahlreichen Aufführungen an Schulen und in Kirchen – ergänzt durch zwei Fernsehinszenierungen, von denen eine auch mit Marionetten arbeitete.
In der Folge wurde das kleine Spiel in zahlreiche Sprachen und Dialekte übertragen und ging somit aus dem Bayerischen hinaus in die internationale Weihnachtswelt.
Nachweise
Textnachweis Inhalt/Kommentar: Johannes Schindlbeck: » Die Weihnachtsgeschichte«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 104-106.
Bildnachweis: [Titelseite] Carl Orff: Orff-Schulwerk. Jugendmusik. Die Weihnachtsgeschichte. Musik: Gunild Keetman, Titelblatt, Autograph, o. D., Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.
[Titelseite] Carl Orff (Hrsg.): Orff-Schulwerk. Jugendmusik. Die Weihnachtsgeschichte. Musik: Gunild Keetman, Mainz 1952.